Geplante Antiterrordatei stößt bei Experten auf unterschiedliches Echo
Berlin: (hib/WOL) Als Suche nach einer angemessenen Balance zwischen Freiheit und Sicherheit hat der frühere Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Professor Hansjörg Geiger, die Gesetzgebung zur Antiterrordatei und zum Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz bezeichnet. In einer Anhörung des Innenausschusses ließ Geiger am Montagnachmittag keinen Zweifel, "dass der Staat terroristischen Aktivitäten entgegentreten darf und muss". Gleichwohl habe er Zweifel an der Verhältnismäßigkeit bei der Vielzahl von Behörden mit Zugriff auf zusammengeführte Dateien nach dem Antiterrordateigesetz. Auch ein Absenken der Schwellen für schwerwiegende Eingriffe in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen sei abzulehnen. Zudem sollten Tatbestände nicht nach dem Trennungsgebot zwischen Nachrichtendiensten und Polizei sondern nach den Kriterien des Informationsfreiheitsgesetzes beurteilt werden. Es gehe um Informationen, "die nicht mit den Vollzugsbehörden zusammengebracht werden dürfen", so Geiger.
Demgegenüber hielt der Münchner Verfassungsrechtler Professor Peter Badura die Regelungen des Entwurfs für ein Antiterrordateigesetz für verfassungsrechtlich gerechtfertigt und verhältnismäßig. Die Errichtung einer gemeinsamen standardisierten zentralen Antiterrordatei sei geeignet, den beteiligten Behörden eine Informationsgrundlage für die Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu verschaffen. Auch Professor Eric Hilgendorf von der Universität Würzburg nannte in Frage stehende Antiterrordateigesetz für gut durchdacht und im Grundsatz akzeptabel. Nachbesserungen seien aber wünschenswert und durchführbar, ohne die Effizienz des Gesetzes spürbar zu beeinträchtigen, sagte Hilgendorf. In seiner schriftlichen Stellungnahme hatte er aber davor gewarnt, dass "durch ein Abschleifen rechtstaatlicher Sicherungen" ein nicht wieder gut zu machender Schaden angerichtet werden könnte. Die Erfahrung zeige, dass staatliche Eingriffs und Überwachungsrechte - einmal eingeführt - kaum je wieder rückgängig gemacht werden.
Professor Markus Möstl von der Universität Bayreuth erklärte, das so genannte Trennungsverbot von Polizei und Nachrichtendiensten werde durch die vorgesehene Errichtung einer zentralen Antiterrordatei des Bundes und der Länder nicht verletzt. Selbst wenn das Trennungsverbot im Rechtsstaatsprinzip verankert wäre, würde es durch einen Informationsverbund dieser Art nicht verletzt. Sinn und Zweck des Trennungsgebotes sei die informationelle Abschottung zwischen Nachrichtendiensten und Polizei. Terrorbekämpfung als grundgesetzlicher Auftrag diene nicht nur dem Gewinn an Sicherheit, sondern auch dem Gewinn an Freiheit. Professor Ralf Poscher von der Ruhr-Universität Bochum sagte, für eine effektive Vorsorge seien viele Informationen nicht nur geeignet, sondern auch erforderlich. Es sei zu fragen, was "an Erhebung, Speicherung und Verarbeitung von Informationen" unangemessen sei, wenn man Anschläge wie die vom 11. September oder die in Madrid oder in London verhindern wolle. Andererseits liege in der Trennung von Geheimdiensten und Polizei eine formelle Sicherung gegen einen sich verselbstständigenden Sicherheitsapparat, dessen gebündelte Informationserhebungs-, Speicherungs- und Verarbeitungskapazitäten den Bürgern keine Freiräume mehr ließen, sondern sie zu transparenten Objekten staatlicher Herrschaft machen könnten.
Dringenden Nachbesserungsbedarf sah schließlich der stellvertretende Vorsitzende der Humanistischen Union, Fredrik Roggan, im Hinblick auf Rechtmäßigkeit und auf die Aufnahmekriterien in eine Zentraldatei. Jedermann wisse wie leicht es sei, in eine Datei aufgenommen zu werden, und wie schwer, wieder herauszukommen.
Gänzlich anderer Ansicht war Claudia Schmid, Leiterin des Berliner Verfassungsschutzes. Nach ihrer Aussage sind Datenübermittlungen zwischen Polizei und Nachrichtendiensten keine Neuerung, sondern in allen Polizeigesetzen und Gesetzen der Nachrichtendienste bereits Realität. Im Grunde würden lediglich bestimmte Teilmengen bereits vorhandener Daten aus zwei bestehenden Verbunddateien zu einer neuen Datei zusammengeführt. Der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, und Wolfgang Weber, Präsident des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz, untermauerten diese Einschätzung. Aus ihrer Sicht gibt es immer noch zu viele Probleme bei der Umsetzung. Laut Ziercke geht es in einer immer schwieriger werdenden Situation darum, Ansatzpunkte für Terroraktivitäten schnell und zielgenau zu erhalten und die Relevanz von Gefahrenhinweisen rechtzeitig feststellen zu können. Weber sah ein Problem im Widerstand gegen eine Erfassung oder Speicherung der Daten von Ziel- und Kontaktpersonen, da deren "bereits vorhandene und legal erfasste Daten" lediglich in eine neue gemeinsame Datei eingespeist" würden.
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