Das ist neu für den internationalen Jugend- und Studentenaustausch: Anfang Januar warb US-Präsident George Bush auf einem Gipfeltreffen mit 130 Universitätsrektoren für eine Intensivierung des amerikanischen Studienaustausches mit dem Ausland. Bislang gehen 190.000 amerikanische Hochschüler im Jahr in fremde Länder. Bis 2017 sollen es eine Million sein, wie kürzlich ein Sachverständigengutachten im Auftrag des Präsidenten und des Kongresses empfahl. Für die US-Regierung liegen Auslandssemester mit einem Zugewinn an interkulturellem Lernen ausdrücklich im Interesse der nationalen Sicherheit.
Bislang ist der Studentenaustausch zwischen den USA und der weiten Welt sehr einseitig. Im vergangenen Jahr beispielsweise gingen rund 2.200 deutsche Studenten mit einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) an US-Hochschulen, während lediglich tausend Amerikaner die umgekehrte Chance zwischen Rhein und Oder nutzten. "Ich lerne in Stanford die Welt kennen", sagt ein begeisterter Doktorand aus Deutschland, "weil sie hier vorbeikommt". Warum also dann überhaupt noch vor die eigene Tür treten?, fragen sich die allermeisten Studienkollegen aus den USA.
"Wir sind nach Stanford und Cornell die Nummer drei im internationalen Austausch und wollen in fünf Jahren die Nummer eins in den USA sein." Das erklärte kürzlich Jack Lohmann vom Georgia Institute of Technology, einer der zehn angesehensten Technischen Hochschulen in Amerika, bei Arbeitsgesprächen mit dem DAAD in Bonn. "Wenn unsere Absolventen sich bei großen Firmen bewerben, ist internationale Erfahrung ein klarer Vorteil - und damit auch ein werbewirksames Markenzeichen für unsere Hochschule!" Über den DAAD suchte Lohmann, zuständig für die Hochschulentwicklung am Georgia Tech, mit 15 Fachvertretern von der Architektur über die Mechanik bis zum Business Management Kontakte mit deutschen Partnerhochschulen in Berlin, München, Konstanz und Stuttgart. Das Auslandssemester ist erst attraktiv, wenn im jeweiligen Fach auch zu Hause anerkannte Leistungsnachweise herausspringen. Sonst wären die laufenden Semestergebühren von 8.000 Dollar, aus denen Georgia Tech den gesamten Auslandsaufenthalt finanziert, schlicht weggeworfen. "Das ausländische Lehrprogramm muss sich in Kernkursen schon zu 75 Prozent mit meinem überschneiden", erläutert etwa der Mechanikprofessor David Sanborn.
Das Lockangebot für die deutschen Partner: Ihre Studenten können in Atlanta gebührenfrei studieren, und zwar bei einem Austausch 1:1. Allerdings wollen die "Georgier" Studenten in der akademischen Grundausbildung ins Ausland schicken - ganz einfach, weil die allermeisten mit dem Bachelorgrad gleich in den Beruf einsteigen. "Ich bin ganz ehrlich", so Sanborn, "talentierte Graduierte, fortgeschrittene Masterstudenten oder Doktoranden, wollen wir so wenig hergeben wie die deutschen Unis, sondern lieber in unseren eigenen Forschungsprogrammen beschäftigen".
Im internationalen Wettbewerb der Hochschulstandorte erscheint das Kooperationsangebot trotzdem attraktiv, betont etwa Wedigo de Vivanco, Auslandsamtschef der Berliner Freien Universität. Denn auf der Beliebtheitsskala der europäischen Länder bei US-Studenten liegt Deutschland mit derzeit maximal 6.000 Gästen (nicht nur vom DAAD) auf einem wenig schmeichelhaften siebten Platz. Großbritannien steht an erster Stelle.