Nach der Landtagswahl im Herbst 2002 überraschte Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Gottfried Timm (SPD) Öffentlichkeit und Koalitionspartner mit dem Vorschlag für die Kreisgebietsreform. Aus zwölf Landkreisen und sechs kreisfreien Städten sollten vier Regionalkreise werden. Die PDS tat sich von Anbeginn schwer. Im Juni 2003 beschloss ein Parteitag die Bildung von mindestens acht Kreisen. Im November untermauerte der Parteivorstand den Beschluss. Trotzdem einigte sich die PDS-Partei- und Fraktionsführung mit dem Koalitionspartner SPD. Seit November 2004 liegt ein Gesetzentwurf der Landesregierung mit einem Fünf-Kreis-Modell vor.
Die Stimmung innerhalb der PDS ist nicht nur angesichts bevorstehender Landtagswahlen gereizt. Die Verunsicherung an der Parteibasis über Sinn und Zweck der Reform ist erheblich. Kreistage und Stadtvertretungen lehnen das Gesetz ab. Die PDS sorgte für breite Mehrheiten in den weitgehend von der CDU dominierten Kommunalparlamenten. Auch die CDU lehnt die Reform ab und hat - wie einige Kreise und kreisfreien Städte - Klage vor dem Landesverfassungsgericht angekündigt.
Die Schlussabstimmung im eilig in einem Sonderausschuss des Landtages beratenen Gesetzeswerk sollte am 10. März erfolgen. Nachdem eine Probeabstimmung in der PDS-Landtagsfraktion ein 4 : 7 gegen die Reform ergab, wurde mit einigem Geschick die Landtagssitzung auf drei Tage ausgedehnt und so die abschließende Sitzung des Ausschusses verschoben. Irritierend kam hinzu, dass die PDS-Sozialministerin Marianne Linke sich plötzlich zu den Reformgegnern gesellte. Zu Recht erinnerte die SPD daran, dass die Sozialministerin der Reform zuvor zweimal im Kabinett zugestimmt hatte. Deren Taktieren hing vor allem mit der eigenen Kandidatur für den Landtag im Wahlkreis Rügen zusammen. Hier hatten sich parallel zur Kommunalwahl bereits im Juni 2004 gut 92 Prozent der Wähler für die Eigenständigkeit der Insel ausgesprochen.
Vor dem Parteitag am 11. März 2006 im mecklenburgischen Sternberg stand die Führung der PDS um den Landesvorsitzenden Peter Ritter und die Fraktionsvorsitzende im Landtag Angelika Gramkow ziemlich allein. Bei den Befürwortern der Koalition herrschte Ratlosigkeit, denn die SPD hatte die Frage der Verwaltungsreform auch zur Koalitionsfrage gemacht. Sollte der Parteitag das Reformpaket ablehnen, drohte allerdings nicht nur die rot-rote Landesregierung sechs Monate vor den Landtagswahlen auseinander zu brechen. Auch für die PDS wäre es schwer geworden, denn sowohl ihr Landesvorsitzender Peter Ritter als auch der Spitzenkandidat zur Landtagswahl, Umweltminister Wolfgang Methling, hatten angekündigt, dann nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Auf der PDS lastete also erheblicher Druck.
Eine neunstündige intensive Debatte mit 43 Diskussionsrednern brachte dann doch ein überraschend klares Votum: Mit 59 zu 37 Stimmen machte der Parteitag den Weg für die Verwaltungsreform und damit das Fünf-Kreis-Modell frei. Nicht nur der Druck der Parteispitze, auch eine geschickte Dramaturgie hatte zu diesem Ergebnis geführt. Der frühere Vorsitzende der Landtagsfraktion, Johannes Scheringer, legte dem Parteitag noch am Vormittag einen Kompromissantrag vor. Darauf zog die Parteispitze ihren Antrag zurück, der dem Parteitag eine Zustimmung zur Reform abverlangte. Der schließlich beschlossene Kompromissantrag sieht vor, dass die Fraktion im Landtagsausschuss das Gesetz passieren lässt. Dies ist am 15. März mit 5 : 4 Stimmen geschehen. Damit ist der Weg für eine Abstimmung im Landtag frei. Zur Verabschiedung reicht die einfache Mehrheit.
Der Wismarer SPD-Abgeordnete Norbert Nieszery wird gegen das Gesetz stimmen. Dann sind vier Stimmen der PDS notwendig. Diese sind mit dem Landesvorsitzenden Peter Ritter, der Fraktionsvorsitzenden Angelika Gramkow, dem Landtags-Vizepräsidenten Andreas Bluhm und der Parlamentarischen Geschäftsführerin Gabi Mestan sicher. Letztere hatte wesentlichen Anteil an der Zustimmung des Parteitages. Sie war über Jahre eine der entschiedenen Gegner der Reform. Mit einer emotional vorgetragenen Rede warb sie um Zustimmung.
Die Frage nach dem Bestand der Verwaltungsreform steht weiter. Die im Verfahren angehörten Gebietskörperschaften haben das Gesetz durch die Bank weg abgelehnt. Wenn der Landtag das Gesetz am 5. April 2006 beschließt, landet dieses vor dem Landesverfassungsgericht. Dies könnte das Gesetz allein aus formalen Gründen scheitern lassen. Dann beginnt die Diskussion von vorn. In Mecklenburg-Vorpommern ist eben manches anders. Sachsen-Anhalt hat gerade eine Reform beschlossen. Dort begann die Diskussion später, das Gesetz tritt aber früher in Kraft. Aus 21 werden elf neue Landkreise.