Der Hanser Verlag hat unlängst in Berlin zwei Europa-Bücher vorgestellt, die in höchst konträrer Weise die Entwicklung der Europäischen Union beurteilen. Der Wirtschaftsjournalist Martin Hüfner sieht sie als eine "Macht von morgen", während der bekannte Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim mit dem gewählten Untertitel "Wie EU-Funktionäre unsere Demokratie verschleudern" bereits die Stoßrichtung seiner Kritik anzeigt.
Der an der Verwaltungshochschule Speyer tätige von Arnim hat sich längst als unerbittlicher Kritiker unseres Parteiensystems, insbesondere des Diäten- und Vergütungssystems in der Bundesrepublik einen Namen gemacht. In seinem neuen Buch nimmt er die wuchernde EU-Bürokratie aufs Korn. Sein grundsätzlicher Vorwurf: Die EU leide unter einem gewaltigen Demokratiedefizit. Sie verfüge über einen riesigen Apparat, erhalte immer mehr Vollmachten, trage aber letztlich keine politische Verantwortung, da ihr jede wirklich demokratische Legitimation fehle. Aus der Kritik folgt ein Katalog vehement vorgetragener Forderungen: Die Regelung von Vergütungen und Diäten für EU-Parlamentarier müsse endlich durchgreifend korrigiert werden, ebenso die Sonderrechte für Beamte; der Haushalt sollte tiefgreifend zugunsten von Wissenschaft und Forschung geändert werden; die Politik müsse endlich klar sagen, "wohin die europäische Reise geht".
Der Autor liebt die zugespitzte Formulierung: "Aufmerksamkeit erreicht man nur über die Skandalisierung vorhandener Missstände." In der Tat lässt das Buch in der Zusammenballung nicht bestreitbarer Missstände frösteln. Die negativen Verfassungsvoten in Frankreich und in den Niederlanden machen die dringliche Aufgabe der Politik deutlich, ein "Europa der Bürger" zu schaffen.
Der zweite Ansatz ist bescheidener: Martin Hüfner, langjähriger Wirtschaftsjournalist in Brüssel und Berater von Banken und Unternehmen, geht von dem aus, was ist. Die europäische Integration ist für ihn inzwischen soweit vorangeschritten, dass es ein Zurück in nationalstaatliches Klein-Klein einfach nicht mehr gibt. Verbunden durch gemeinsame Wertvorstellungen und nicht belastet durch Weltmachtambitionen könne die Europäische Union ein Modell für einen politisch, wirtschaftlich und kulturell erfolgreichen Zusammenschluss von selbstbewussten Staaten sein, die im Zusammenschluss nicht den Verlust ihrer Identität befürchten müssen. Europa habe es, so der Autor, immer wieder geschafft, aus jeder Krise gestärkt hervorzugehen.
Der anfänglich lockere wirtschaftliche Zusammenschluss habe die Bindungen untereinander immer fester werden lassen; die Fähigkeit zu gewaltfreien Kompromissen werde zu einer Kardinaltugend gerade in Zeiten der Globalisierung und ihrer Auseinandersetzungen. Und: Die kommenden Jahrzehnte gehörten Europa, nicht China oder Indien und schon gar nicht den USA. Erstaunlich sei daher, dass die Europäer selbst diese positiven Entwicklungen so wenig zur Kenntnis nehmen wollten.
Hans Herbert von Arnim
Das Europa-Komplott. Wie EU-Funktionäre unsere Demokratie verscherbeln.
Hanser Verlag, München 2006; 442 S., 24,90 Euro
Martin Hüfner
Europa - Die Macht von morgen.
Hanser Verlag, München 2006; 320 S., 19,90 Euro