Wäre Prominenz immer auch ein Indikator für Erfolg, bräuchte man sich um Europa nicht zu sorgen. Das wdr europa forum, das anlässlich des Europatages am 9. und 10. Mai in Berlin stattfand, war hochkarätig besetzt. Aber entsprechend dem Titel der Veranstaltung, "Europas ungewisse Zukunft", blieben auch die Prognosen der prominenten Gäste über Europas weitere Entwicklung nur vage - manchmal auch ein wenig nebulös.
Bundeskanzlerin Angela Merkel bekannte sich, wie zwei Tage später in ihrer Regierungserklärung, zwar klar zum europäischen Verfassungsprozess, warnte aber vor "Schnellschüssen". Sie appellierte an die Zuhörer, mit Europa Geduld zu haben: "Warten, heißt nicht einschlafen lassen, sondern einen geeigneten Zeitpunkt finden", sagte die Regierungschefin. Sie machte deutlich, dass Europa eine "Verfasstheit" brauche, auch im deutschen Interesse. Über den Zeithorizont für eine Europäische Verfassung äußerte sich der derzeit amtierende Ratspräsident, Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, konkreter. Nach seiner Ansicht wird die Entscheidung über die Verfassung voraussichtlich Ende 2007 oder Anfang 2008 fallen. Bis 2009 müsse jedoch der Zeitpunkt für die neue Verfassung feststehen. Die Erweiterung der Europäischen Union ist für den Bundeskanzler nach wie vor eine Erfolgsgeschichte, die Europa stärker und politischer gemacht hat. Wie vor ihm Bundeskanzlerin Merkel sprach er sich dafür aus, das Instrument der Nachbarschaftspolitik weiterzuentwickeln. Hinsichtlich der Balkanstaaten erklärte er: "Wir sind bei den Balkanländer im Wort." Bei der Aufnahmefähigkeit der Union plädierte er, so Schüssel wörtlich, für eine "gewisse Behutsamkeit". Die Aufnahmefähigkeit der Kandidaten müsse geklärt werden. Auch Nachbarschaftskonflikte und die Finanzsituation müssten dafür im vorhinein geklärt werden.
Die Frage, ob es eine "Festung Europa" gebe, wurde auf einem Podium mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU/CSU) und der Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) sowie Erhard Busek, Sonderkoordinator des Stabilitätspaktes für Südosteuropa sowie dem Europaabgeordneten und Vorsitzenden der Liberalen, Graham Watson (ALDE), diskutiert. Der Bundesinnenminister bezeichnete die Steuerung von Zuwanderung als Voraussetzung für eine gelungene Integration von Ausländern und die Akzeptanz von Migration in der Bevölkerung. Claudia Roth und Graham Watson setzen dabei stärker auf die europäische Karte und machten sich für eine gemeinsame Flüchtlings- und Einwanderungspolitik stark. Dabei müssten sowohl Menschenrechte als auch legale Zuwanderungsmöglichkeiten berücksichtigt werden. Europa brauche Einwanderer, so Watson. Die frühere Abgeordnete des Europäischen Parlaments brachte es auf die Formel: "Es gibt Gründe, warum wir Menschen brauchen, aber es gibt auch Menschen, die uns brauchen." Einig waren sich die Podiumsmitglieder darüber, dass Europa sowohl Visionen als auch Führung braucht. Der Sonderkoordinator des Stabilitätspaktes warf abschließend ein, dass bei allen Diskussionen um die Zukunft der Gemeinschaft aber vor allem eines gebraucht werde: eine europäische Öffentlichkeit.