Für den Westen ist es ein Szenario des Schre- ckens: Die Atombombe in der Hand des Irans. Genauer gesagt - und noch bedrohlicher - in der Hand von Präsident Mahmud Achmadinedschad. Und doch glaubt Bahman Nirumand, dass der Atomstreit mit dem Iran "längst die ihm gebührende Dimension überschritten" hat. Angesichts des Szenarios eine provokante These, die der Schriftsteller und Journalist in seinem neuen Buch "Iran. Die drohende Katastrophe" aufstellt. Er meint damit jedoch nicht, dass die Gefahren des Konfliktes überbewertet würden. Ganz im Gegenteil: Für ihn stehen die Zeichen der Zeit am Persischen Golf deutlich auf Krieg.
Nirumand führt die drohende Eskalation neben den aktuellen Geschehnissen, die er bis zum ergebnislosen Verstreichen des UN-Ultimatums an den Iran, das Atomprogramm spätestens bis zum 28. April vollständig auszusetzen, beschreibt, auf ein prinzipielleres Problem zurück: Der Konflikt sei "mit nahezu allen Problemen belastet, die zwischen dem christlichen Abendland und dem islamischen Morgenland existieren oder auch nur denkbar sind." Und von denen gibt es eine Menge: Integrationsprobleme muslimischer Zuwanderer in Europa, der Wahlsieg der radikal-islamischen Hamas in den Palästinensergebieten, die gewaltsamen Proteste gegen die Mohammed-Karikaturen, die Brandreden Achmadinedschads gegen Israel.
Geht es im Kräftemessen zwischen dem Iran und den USA also gar nicht um die zivile oder militärische Nutzung der Atomenergie? Nirumand meldet Zweifel an. Für Washington habe ein Regimewechsel in Teheran oberste Priorität. Unter dem Strich ginge es um nicht weniger als die völlige Kontrolle der Region und ihrer Ölvorkommen. In der Tat hat die Bush-Regierung nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie das Regime der Mullahs im Iran beenden will. Die Argumentation Nirumands, eine bewusst betriebene Eskalation des Atomstreits biete die Gelegenheit, dieses Ziel auch gewaltsam herbeizuführen, lässt sich zwar nicht ohne weiteres widerlegen, weist aber auch Schwachstellen auf. So sieht er in den anstehenden Kongresswahlen eine weitere Motivation für George W. Bush, den Konflikt eskalieren zu lassen: "Umfragen zufolge würden die Republikaner die Wahl verlieren. Es sei denn, es gäbe für das amerikanische Volk einen wichtigen Grund, ihren Präsidenten zu unterstützen - und Krieg wäre ein solcher Grund, wie ein Blick in die amerikanische Geschichte lehrt." Das ist zwar prinzipiell richtig, doch Nirumand verschweigt, dass die drohende Wahlniederlage maßgeblich auf das Irak-Desaster zurückzuführen ist, in das Bush sein Land geführt hat. Und derzeit scheint die US-Regierung das Wahlvolk eher mit Andeutungen über einen Abzug größerer Truppenkontigente aus dem Irak beschwichtigen als mit einem erneuten Waffengang die patriotische Karte auspielen zu wollen.
Die Kritik Nirumands an der Politik Teherans fällt keinen Deut weniger scharf aus. Achmadinedschad nutze den Atomstreit, um von seinen innenpolitischen Problemen abzulenken. Bereits wenige Monate nach seiner Wahl "habe der Stuhl des Präsidenten zu wa-ckeln begonnen". Der Iraner versuche, sich durch seine Konfrontationspolitik regelrecht in die Krise zu retten - vielleicht auch in den Krieg. Der weitaus größere Teil des Buches beschäftigt sich denn auch mit den Verhältnissen im Iran. Hier sieht Nirumand den Ansatz, um einen Krieg abzuwenden. Die Europäer sollten - anstatt im Atomstreit zunehmend ins Fahrwasser der USA zu geraten - viel stärker regierungsunabhängige Organisationen im Iran unterstützen und die moderaten Konservativen gewinnen, um die radikalen Kräfte zu isolieren. In diesem Schlussplädoyer spricht deutlich das Herz des Exil-Iraners Nirumand für sein Heimatland, dem er eine friedliche und demokratische Zukunft wünscht. Der Qualität seines Buches ist dies aber nicht abträglich.
Bahman Nirumand: Iran. Die drohende Katastrophe. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2006; 223 S., 16,90 Euro.