Ernährung und Landwirtschaft. Ob die von der EU bereitgestellten Mittel für die marktbezogenen Agrarzahlungen künftig teilweise auch dem Vertragsnaturschutz und Agrarumweltprogrammen zugute kommen sollen, darüber sind die Meinungen der Experten einer öffentlichen Anhörung des Ernährungsausschusses am 26. Juni auseinander gegangen. "Wir brauchen eine fakultative Modulation, die ab 20.000 Euro ansetzt und größere Agrarbetriebe in die Pflicht nimmt, die eher auf eine Förderung verzichten können als ein Nebenerwerbslandwirt im Bayrischen Wald", erklärte Lutz Ribbe von der Stiftung Europäisches Naturerbe und trat dezidiert für eine stärkere Förderung von umweltschützenden Maßnahmen ein. Zur Debatte stand die finanzielle Vorausschau der EU für die Jahre 2007 bis 2013, die auch die finanzielle Ausstattung der Entwicklung des ländlichen Raumes regelt. Dabei bildet die am 20. September 2005 beschlossene so genannte ELER-Verordnung der EU-Kommission die Grundlage für die als zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) bezeichnete ländliche Entwicklungspolitik Europas. Für Deutschland stünden dabei, so ein Regierungsvertreter, rund 8,1 Milliarden Euro aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die ländliche Entwicklung (ELER) bereit. Diese Zusage beziehe sich auf das Basisjahr 2004 und berücksichtige bereits die Inflationsrate. Verglichen mit den aktuellen Preisen bedeute dies einen Rückgang von zwölf Prozent. Darunter verbucht würden bereits die Tabakfördermittel, die von der ersten in die zweite Säule umgeschichtet wurden.
Massive Kritik an den Kürzungen der zweiten Säule von "gut 2 Milliarden Euro" in der neuen Programmplanungsperiode äußerte Wolfram Güthler vom Deutschen Verband für Landschaftspflege, der eine Senkung der Prämien für Agrarumweltprogramme und den Vertragsnaturschutz für absehbar hielt. "Wir halten eine moderate Modulation für das Gebot der Stunde", ergänzte er, um die seitens der EU definierten neuen Aufgaben für Umweltschutz durch NATURA 2000 auch finanzieren zu können. Man fordere keine 20 Prozent Modulation, benötige aber rund 300 Millionen Euro aus der ersten für die zweite Säule. Er verwies darauf, dass in manchen Bundesländern bereits bis zu 40 Prozent der neuen Mittel durch Altverpflichtungen gebunden seien und die Spielräume für die von der EU geforderten Maßnahmen der Kulturlandschaftspflege kaum Mittel zur Verfügung stünden. Es gelte den Widerspruch aufzulösen, mit weniger Geld mehr Aufgaben bewältigen zu wollen. Auch Bernd Voss von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft trat dafür ein, "bis zu 25 Prozent der ersten Säule in die zweite Säule herüber zu nehmen." Demgegenüber lehnte Udo Hemmerling vom Deutschen Bauernverband einen Ausgleich der zweiten Säule ab. Dies könne nicht die "Rettung" sein. Nach Auffassung des Bauernverbandes entspricht die Verteilung der Direktzahlungen in etwa der Struktur der Landwirtschaft. Man müsse nun den Betrieben, die weniger Marktstützung erhalten, Zeit geben, sich auf die Öffnung für den Weltmarkt einstellen zu können.
Zurückhaltend äußerte sich Maximilian Wolgschaft vom Bayerischen Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten: "Wir wollen eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Förderphase und kein komplettes Auf-den-Kopf-Stellen der Förderung." Bayern gilt als der Hauptverlierer der Förderung ländlicher Räume durch Brüssel und wird ab 2007 voraussichtlich mit 85 Millionen Euro weniger auskommen müssen.
"Der Beschluss zur ersten Säule steht, daran wollen wir nicht rütteln, denn hier geht es um unmittelbar einkommenswirksame Zahlungen", unterstrich die CDU/CSU-Fraktion in der Diskussion. Sie pflichtete dem Deutschen Bauernverband bei, dass im ersten Jahr der GATT-Reform den Landwirten Planungssicherheit für ihre Betriebe gegeben werden müsse. Auch die SPD verwies auf einen Investitionsstau in vielen landwirtschaftlichen Bereichen; dieser mache eine Planungssicherheit für die Landwirte notwendig. Bündnis 90/Die Grünen verlangten für die von der Förderung aus der zweiten Säule betroffenen Menschen gleichermaßen Planungssicherheit. Die FDP wandte sich gegen die im Zusammenhang mit der fakultativen Modulation von Experten erwogene Kappungsgrenze und warnte davor, dass sich diese "existenzvernichtend" für Landwirte auswirken werde. Die Linke forderte eine stärkere Bindung von Subventionszahlungen an die tatsächliche Schaffung von Arbeitsplätzen und regte ein Umdenken bei dem Zwei-Säulen-Modell an.
Erfolglos blieb in den Beratungen des Ernährungsausschusses am 28. Juni ein themengleicher Antrag der Bündnisgrünen ( 16/952). Darin sprach sich die Fraktion gegen eine Kürzung bei der Finanzierung der Entwicklung ländlicher Räume aus.