Die Frage nach einer sicheren Entsorgung gebrauchter Brennstäbe hält seit Beginn der Euphorie für die angeblich kostengünstige Atomenergie Kraftwerksbetreiber auf der ganzen Welt in Atem. Denn bei der Kernspaltung im Atomreaktor entsteht Radioaktivität: Eine tödliche Strahlung, die noch für hunderttausende Jahre von den genutzten Brennstäben ausgeht. Da es bis heute keine überzeugende Lösung gibt, wird der Atommüll meist in strahlungssicheren, so genannten Castorbehältern zwischengelagert: In umstrittenen Deponien wie im Salzstock von Gorleben oder auf dem Kraftwerksgelände selbst, wie im litauischen Meiler Ignalina.
Das Bewusstsein für einen sorgfältigen Umgang mit dem Atommüll wurde in Litauen allerdings erst während der Beitrittsverhandlungen zur Eurpäischen Union geschärft: Bis dahin wurden die ausrangierten Brennstäbe einfach unter Wasser aufbewahrt. Rühmliche Ausnahme in Europa bildet der neue Atommeiler in Finnland, dessen Endlager 150 Meter tief, vom Betreiber finanziert, in Granitfels angelegt wird.
In der Regel sind die Kosten der Endlagerung unbekannt, deshalb fallen sie bei der Kalkulation für den Bau eines neuen Reaktors und des zukünftigen Strompreises nicht ins Gewicht. Das trifft auch auf das neue Atomkraftwerk im Baltikum zu.
Eine gemeinsame Strategie im Umgang mit dem Atommüll gibt es zwischen Estland, Lettland und Litauen noch nicht. Um sich in Fragen der Endlagerung zu beraten, hat der Staatssekretär im litauischen Wirtschaftsministerium, Arturas Dainius, mit dem Leiter des litauischen Energieversorgers Lietuvos Energija die Internationale Atomenergie Organisation (IAEO) in Wien aufgesucht. Arturas Dainius hatte darüber nachgedacht, die verwendeten Brennstäbe in einem Schnellen Brüter wiederaufzubereiten, um sie ein zweites Mal zu nutzen.
Heute setzt der litauische Politiker allerdings große Hoffnungen in die neue amerikanisch-russische Initiative für den Umgang mit atomarem Brennstoff. Weil strahlende Brennstäbe auch eine tödliche Waffe sein können, suchen der amerikanische Präsident George W. Bush und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin seit Anfang des Jahres nach Wegen, um einem nuklearen Terrorismus vorzubeugen. Eine Idee ist, die Uranbrennstäbe zu leasen. "Wir bestellen das angereicherte Uran, nutzen es im Atommeiler und schicken es später an den Lieferanten zurück", schlägt Arturas Dainius vor. Frage bleibt allerdings, wer die Lieferanten sind und was später mit dem Atommüll passiert?
Heutzutage wird Uran aus Minen in Russland, Kasachstan, Usbekistan, der Ukraine, Australiens, Kanada und in den USA gewonnen und für die Meiler westlichen Standards zum Beispiel in Frankreich oder Großbritannien angereichert.
Es ist bekannt, dass Russland in Vergangenheit große Mengen von radioaktivem Müll in der Barentssee versenkt hat. Ließe sich trotzdem darauf vertrauen, dass man in Russland auf umweltbewusste Leasingpartner treffen wird? Obwohl ein Mietkauf nuklearer Brennstäbe mit hohen Kosten verbunden wäre, möchte der litauische Wirtschaftspolitiker diese Idee gerne bei seinen Amtskollegen in Lettland und Estland durchsetzen. Arturas Dainius: "Dann werden wir Kraftwerk und Atommüll nicht zusätzlich vor Terroristen schützen müssen."