Doch wer nun damit gerechnet hatte, dass die vom Sportausschuss des Bundestages am 6. Juli veranstaltete öffentliche Podiumsdiskussion in der Bundestagsarena neben dem Paul-Löbe-Haus in einer depressiven Grundstimmung verlaufen würde, sah sich getäuscht. Weder die vier anwesenden Ausschussmitglieder Peter Danckert (SPD), Klaus Riegert (CDU/CSU), Detlef Parr (FDP) und Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen) noch der Berliner WM-Botschafter Michael Preetz und erst recht nicht DFB-Präsident Theo Zwanziger wirkten enttäuscht oder gar frustriert.
Ganz im Gegenteil: Mut habe der Auftritt der deutschen Nationalmannschaft gemacht, eine Euphorie im ganzen Lande erzeugt, die es auch in Zukunft positiv zu nutzen gelte, so der Tenor der von den Journalisten Lorenz Maroldt (Der Tagesspiegel) und Moritz Müller-Wirth (Die Zeit) moderierten Veranstaltung. Letzterer eröffnete die Diskussion gleich einmal mit einem Fauxpas. Ausgerechnet an den Sportausschussvorsitzenden Danckert wandte er sich mit der Frage: "Wie war das denn damals, nach der derben Testspielniederlage gegen Italien kurz vor der WM - wollten Sie nicht Bundestrainer Jürgen Klinsmann vor den Ausschuss laden, um zu hören, wie es nun weitergehen soll?" "Nein, keineswegs", so die empörte Antwort des Politikers. Wohl habe es einige stellvertretende Ausschussmitglieder gegeben die, von der Bildzeitung angestachelt, derartiges vorgehabt hätten, er persönlich habe dieser "Schnapsidee" jedoch immer ablehnend gegenübergestanden. Klinsmann bringe frischen Wind, dessen sei er sich immer sicher gewesen.
DFB-Präsident Theo Zwanziger, der auch Vizepräsident des Organisationskomitee der WM ist, räumte hingegen Bedenken ein. "Ja, ich hatte zum damaligen Zeitpunkt Zweifel", lautete seine erfrischend ehrliche Antwort. Doch ihm sei immer bewusst gewesen: Zum Weg des Jürgen Klinsmann gibt es keine Alternative. Nun freue er sich umso mehr, dass es dem Bundestrainer mit seinem Team gelungen sei, die Menschen in Deutschland zu begeistern. Auch um die Zukunft sei ihm nicht bange. Sein Gefühl sage ihm: Jürgen Klinsmann macht weiter. Der Bundestrainer kenne seine Verantwortung, die Spieler glaubten an ihn und außerdem sei er noch nicht "am Ende seines Weges" angelangt. Der Deutsche Fußballbund werde "alles Verantwortbare" tun, um Klinsmann zu halten, versprach Zwanziger.
Der siebenmalige deutsche Nationalspieler und derzeitige WM-Botschafter Michael Preetz lobte insbesondere den von Klinsmann entwickelten Teamgeist der deutschen Nationalmannschaft. Sie habe "Fantastisches" geleistet. Klinsmann habe das Team optimal eingestellt, sodass es dem immensen Druck bei einer Weltmeisterschaft im eigenen Land bestens standgehalten habe. Gegen Italien knapp zu scheitern sei keinen Schande, befand Preetz und lobte ausdrücklich den "Mut zur Offensive", den die Nationalkicker bewiesen hätten. Von einem "schwarz-rot-goldenen Taumel" könne nicht die Rede sein, so Grünenpolitiker Winfried Hermann. Die enthusiastische Unterstützung der deutschen Nationalmannschaft habe nichts mit Nationalismus zu tun, betonte Hermann, der von der Welle der Begeisterung ebenfalls erfasst wurde: "So laut habe ich die Hymne früher nicht mitgesungen."
Sein christdemokratischer Ausschusskollege und Kapitän des FC Bundestag, Klaus Riegert, sieht in der Unterstützung der deutschen Mannschaft einen "gesunden Patriotismus". Dass die Deutschen ihre Nationalhymne genauso laut und unverkrampft mitsingen könnten, wie die Fans der übrigen 31 Teilnehmer überrasche und erfreue ihn, ebenso wie die Tatsache, dass es gelungen sei, eine humorvolle und friedliche Feier mit den Gästen aus aller Welt zu veranstalten.
Man muss auch "jönne könne", lautete die rheinische Antwort des FDP-Sportpolitikers Detlef Parr auf die Frage, ob die WM nicht vorrangig den Regierungsparteien politisch genutzt habe. Er könne damit leben, dass die Bundeskanzlerin auf der Ehrentribüne sitze. Im Sportausschuss, so stellte er klar, gebe es sowieso keine Opposition: "Wir ziehen alle an einem Strang." Eines hätten die Spiele der deutschen Nationalmannschaft aber auch sehr deutlich gemach: der Mut zu Reformen wird belohnt. Auch in der Politik werde dieser Mut gebraucht, um zu Erfolgen zu kommen.