Ben Hecht kam im Dezember 1918 als Korrespondent einer Chicagoer Zeitung nach Berlin. Er war jung und unbeschwert, 24 Jahre alt, er konnte beobachten und schreiben, und er war bereit, ein Urteil abzugeben. Im Zeitungsgeschäft war er schon seit acht Jahren. Hecht wollte erfahren, wie die Deutschen mit ihrer Niederlage fertig wurden. Viele waren noch kaisertreu, bemerkte er; doch sie waren vor allem hochgradig verwirrt, so schien es ihm - und viele waren jetzt bewaffnet. Er hatte den Eindruck, sie stünden politisch einfach irgendwo -oder auch auf der Gegenseite. Vieles erschien ihm "hirnverbrannt".
Als Journalist traf er mit den Mächtigen zusammen, mit Hugo Haase und mit Karl Liebknecht, mit General Max Hoffmann, mit Philipp Scheidemann und Friedrich Ebert, die er interviewte, wie auch den früheren Reichskanzler Theobald v. Bethmann Hollweg. In München sprach er mit Revolutionären wie Erich Mühsam, Max Levien, Gustav Landauer und Ernst Toller. Er verbrachte viele Monate in beiden Zentren der "deutschen Revolution", Berlin und München. Er verkehrte in allen Bevölkerungsschichten, er traf mit Homosexuellen und Nymphomaninnen zusammen, speiste mit Spartakisten und Kapitalisten.
Die Angst vor den Bolschewiken war weitverbreitet in Deutschland, fand er. Dabei verkannten die meisten, dass "eine Junker-Renaissance bevorstand". Insgesamt vermisste er bei den Deutschen den "Mut der Seele". Die Deutschen liebten starke Führer, bemerkte er kritisch. Fehler gewahrte er auch auf Seiten der Siegermächte. Sie unterstützten diese neue deutsche Regierung aus Angst vor den Russen, ließen sie schalten und walten, duldeten sogar deren Grausamkeiten gegen die Linke, den weißen Terror. 25 Jahre später sollte sich dies grausam rächen.
Niedergeschrieben hat Hecht dies erst 1953, daher blickt er oft auf die spätere Entwicklung, auf Hitler und den Nationalsozialismus. 1953 warben die Amerikaner so stark um Deutschland wie 1919, als Bollwerk gegen den Kommunismus.
Hechts Wunsch war es, "einen Augenzeugenbericht über ein Jahr europäischer Geschichte" zu schreiben, und das ist ihm vorzüglich gelungen, einen Bericht voller Fakten, aber auch voller subjektiver Beobachtungen und Eindrücke. Er besaß einen großen Sinn für Dramaturgie, daher schrieb er später Romane und Theaterstücke und Drehbücher für die großen Filmemacher von Hollywood.
Ben Hecht: Revolution im Wasserglas. Geschichten aus Deutschland 1919. Berenberg Verlag, Berlin 2006; 109 S., 19 Euro.