Schon auf der ersten Streckenhälfte des Anhörungsmarathons überwog auf Seiten der Verbändevertreter das Lamento über die ins Auge gefassten Änderungen im Gesundheitswesen - und das, obwohl das umstrittene Herzstück der Reform, der Gesundheitsfonds, erst am 14. November, quasi auf der Zielgeraden, thematisiert werden soll. Doch trotz aller Kritik an dem zwischen Union und SPD mühsam ausgehandelten Kompromiss: Als Beleg für eine Ablehnungsfront gegen den Entwurf können die ersten drei Anhörungen nicht herangezogen werden.
So stießen die Koalitionspläne, die Versorgung Sterbenskranker, Schutzimpfungen und Eltern-Kind-Kuren ins Regelangebot der gesetzlichen Krankenkassen aufzunehmen, bei zahlreichen Verbänden auf Unterstützung. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, Christof Müller-Busch, betonte etwa am 6. November, der rechtliche Anspruch auf eine professionelle Sterbebegleitung sei "ein ganz wichtiger Schritt, den zunehmenden Forderungen nach aktiver Sterbehilfe etwas entgegenzusetzen". Wasser in den Wein goss aber die Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Angestelltenkrankenkassen (VdAK), Doris Pfeiffer. Die zusätzlichen Leistungen führten bei der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu Kostensteigerungen in Höhe von rund 1,2 Milliarden Euro.
Kaum Einwände hatten die Vertreter der Spitzenverbände der GKV gegen die geplante Erleichterung von Kassenfusionen. Nach dem Entwurf sollen sich vom 1. April 2007 an Orts-, Betriebs-, Innungs- und Ersatzkassen sowie die See-Krankenkasse zusammenschließen dürfen. Bislang war dies nur innerhalb einer Kassenart möglich. Die Spitzenverbände verwiesen zwar darauf, dass größere Kassen "keinesfalls automatisch niedrigere Verwaltungskosten pro Kopf haben als kleinere Krankenkassen". Der Vorstandsvorsitzende des BKK-Bundesverbandes, Wolfgang Schmeinck, hob aber hervor, dass die Möglichkeit zu kassenartenübergreifenden Fusionen durchaus "ein gutes Mittel" sein könne, "um Kassen aus einer Verschuldungssituation zu bringen".
Die Zufriedenheit der Spitzenverbände war damit zunächst erschöpft. Insbesondere die vorgesehene organisatorische Straffung stieß auf breiten Widerstand. Der Chef des AOK-Bundesverbandes, Hans Jürgen Ahrens, monierte, mit dem Zusammenschluss der bisher sieben Spitzenverbände der gesetzlichen Kassen zu einem einzigen werde das Ziel der Reform, für mehr Wettbewerb im Gesundheitssystem zu sorgen, "konterkariert". Künftig würden 70 Prozent der Kassenleistungen vom Spitzenverband bestimmt. Da sei wenig wettbewerblicher Spielraum für einzelne Kassen.
Auf der Seite der Koalition fanden sich die GKV-Vertreter dann allerdings wieder ein, als es in der Anhörung am 8. November um die private Krankenversicherung (PKV) ging. Vehement widersprachen sie deren von den Ärzteverbänden unterstüzten These, die privaten subventionierten die gesetzlichen Versicherten aufgrund der höheren Honorare. Pfeiffer wandte ein, eine flächendeckende medizinische Versorgung - auch für die privat Versicherten - gebe es nur deshalb, weil 90 Prozent der Bevölkerung gesetzlich versichert seien. Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler, hielt dem entgegen, die für die PKV angedachten Reformen sorgten bei den niedergelassenen Ärzten pro Praxis für ein Minus von fast 23.000 Euro.
Auch der Direktor des PKV-Verbandes, Volker Leienbach, malte die Auswirkungen der schwarz-roten Pläne in düsteren Farben. Die Privatversicherung sei in ihrer Existenz bedroht, sagte er. Allein die geplante Mitnahmemöglichkeit für Altersrückstellungen bei einem Wechsel von einer privaten Kasse in eine andere bedeute einen Beitragsanstieg um bis zu 28 Prozent, so Leienbach. Zu weiteren Erhöhungen werde zudem die Verpflichtung führen, künftig einen Basistarif anzubieten, dessen Leistungsumfang und Höchstbeitrag dem GKV-Niveau entspricht. Genau wie er rechnete deshalb auch der Berliner Staatsrechtler Helge Sodan mit zahlreichen Klagen gegen die Änderungen.