Schleichwerbung im Fernsehen wird verboten. So steht es in dem Kompromiss zur neuen Fernsehrichtlinie, auf den sich eine Mehrheit der EU-Länder am 13. November in Brüssel einigen konnte. Vor allem die deutsche Delegation hatte darauf gedrungen. Denn in Deutschland hatte der Skandal um so genannte "Themenplatzierung", also von Firmen gekaufte Inhalte in Vorabendserien, große Wellen geschlagen. "Das ist schon - wenn ich Marienhof vor Augen habe - eine medienpolitische Aussage", lobte Kulturstaatsminister Bernd Neumann den Kompromiss.
Der Einigung waren harte Verhandlungen voraus gegangen. Denn einige Länder wie Großbritannien glauben, dass nur großzügige Werberegeln das Überleben europäischer Produktionsfirmen sichern können. Andere wie Schweden, Frankreich, Belgien oder Österreich fürchten, dass europäische Programme nicht mehr von amerikanischen zu unterscheiden sind, wenn die Auflagen für Werbung gelockert werden und Werbung von redaktionellem Inhalt nicht mehr klar getrennt ist. Für Websites wie das beliebte YouTube, wo Privatleute Videos austauschen können, gilt die alte Fernsehrichtlinie nicht. "Wenn man nichts ändert, wächst der Anwendungsbereich aus der Richtlinie heraus und in die E-commerce-Richtlinie hinein", sagt die konservative Berichterstatterin im EU-Parlament, Ruth Hieronymi. "Die Mitgliedsländer haben verstanden, dass sie etwas tun müssen, wenn sie nicht ihre medienpolitische Zuständigkeit an die Kommission verlieren wollen, die den übrigen Binnenmarkt regelt." Nach dem im Rat erzielten Kompromiss soll auch das "Product-Placement" in Kindersendungen und Nachrichten verboten werden. Bei Filmen, TV-Serien, Sportsendungen und Unterhaltungsprogrammen bleibt es den einzelnen Mitgliedsländern überlassen, sie zu erlauben. Hintergrund ist, dass Firmen für eine Fernsehproduktion weiter Requisiten zur Verfügung stellen oder die Verköstigung des Teams übernehmen - als Gegenleistung wird dann verlangt, dass die Produkte mit Firmenlogo im Bild zu sehen sind.
Der bayerische Europaminister Eberhard Sinner, der als Vertreter der deutschen Bundesländer an der Ratssitzung teilnahm, kündigte an, dass auch Deutschland Product-Placement zulassen werde - um auf dem audiovisuellen europäischen Markt nicht ins Hintertreffen zu geraten. Der Kulturausschuss des Europaparlaments, der am 13. November zeitgleich mit den Ministern über das Gesetzesprojekt abstimmte, entschied sich ebenfalls für das Product-Placement - mit 19 zu 12 Stimmen. Ein neutrales Logo am Bildrand soll den Zuschauer darüber informieren. Grüne, Linke und Sozialisten hatten sich dafür eingesetzt, das Product-Placement ganz zu verbieten. "Mit diesem Votum wird die klare Trennung von Werbung und Programm durch die Hintertür aufgehoben", kritisierte die sozialistische Abgeordnete Lissy Gröner. "Es entsteht eine riesige Grauzone. Wie soll man nachweisen, ob nur ein Auto bereitgestellt wurde oder ob Geld gezahlt wurde, um Inhalte einer Sendung zu beeinflussen."
Zufrieden zeigte sich Gröner damit, dass die Abgeordneten das Recht auf Kurzberichterstattung über "Ereignisse von großem öffentlichen Interesse" in ihrem Vorschlag verankerten. Bis zu 90 Sekunden lang darf zum Beispiel das schönste Tor eines Länderspiels in anderen Sendern gezeigt werden - Verband oder Sender, müssen aber angemessen entlohnt werden. Die Abgeordneten schrieben außerdem ein Recht auf Gegendarstellung und strenge Schutzklauseln gegen Pornographie und Diskriminierung jeglicher Art in ihren Vorschlag hinein.
Die für Medien zuständige EU-Kommissarin Viviane Reding hält die Differenzen zwischen den Mitgliedstaaten und dem EU-Parlament für überbrückbar. Nach der Ratssitzung sagte sie: "Was die zentralen Punkte der neuen Richtlinie angeht - ihren Anwendungsbereich, die Verankerung des Herkunftslandsprinzips (für einen Sendebeitrag gelten die Gesetze des Landes, in dem er hergestellt wurde) und klare Regeln zum Beispiel für den Schutz Minderjähriger - gab es heute breite Zustimmung in dieser Runde." Sie rechnet noch mit einer Einigung während der deutschen Ratspräsidentschaft bis Mitte 2007.