Die EU-Kommission will Glücksspiele in Europa nicht liberalisieren. "Die Kommission akzeptiert den Wunsch des Parlamentes, dass Glücksspiele nicht unter die Vorschriften der Dienstleistungsrichtlinie fallen", sagte Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy am 14. November vor dem Europäischen Parlament in Straßburg. "Die Regulierung der Glücksspiele ist Sache der Mitgliedstaaten."
Allerdings besteht in Brüssel der Verdacht, dass die Gesetze und Verordnungen in zwölf Mitgliedstaaten gegen den EU-Vertrag verstoßen. Gegen sie hat die Kommission in den letzten Monaten Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Die Regierungen, darunter auch die Bundesregierung, wurden aufgefordert, ihre Vorschriften zu erläutern. Ausgelöst wurde die Untersuchung der Kommission durch Beschwerden von Sportwettenanbietern, deren Tätigkeit durch die nationalen Vorschriften eingeschränkt wird. Die Kommission wisse, sagte McCreevy weiter, dass dies in vielen Mitgliedstaaten eine "sensitive Frage" sei, müsse aber allen Beschwerden nachgehen, die an sie herangetragen würden. Die Vertragsverletzungsverfahren richten sich nicht gegen die bestehenden Monopole. Nach der geltenden Rechtsprechung dürfen die Mitgliedstaaten entscheiden, ob sie privaten Anbietern von Lotterien, Wetten und Glücksspielen eine Lizenz erteilen. Auch wenn eine Lotterie oder ein Wettbüro in einem Mitgliedsland zugelassen ist, kann ein anderes die Lizenz verweigern.
Allerdings ist das kein Blankoscheck für die Mitgliedstaaten. Sie dürfen Glücksspiele zwar "aus Gründen des Allgemeininteresses" beschränken, die dafür erlassenen Vorschriften müssen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes aber "kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen". Für die Kommission folgt daraus, dass ein Lotteriemonopol nicht mit der Notwendigkeit begründet werden kann, die Spielleidenschaft einzudämmen,wenn die staatliche Lotterie die Bürger durch Werbung gleichzeitig zum Spielen ermuntert. Auch die Sorge des Staates, Steuereinnahmen oder Monopolgewinne zu verlieren, sei nicht ausreichend, um einem Anbieter von Wetten oder einer Lotterie die Lizenz zu verweigern.
Die Beamten in Brüssel sehen sich die einschlägigen Vorschriften der zwölf Mitgliedstaaten jetzt genau an und prüfen, ob die von den Regierungen angeführten Begründungen stichhaltig sind. Finden sie dabei Widersprüche, zündet die Kommission die zweite Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens: Die Regierungen bekommen dann eine Frist von zwei Monaten, um ihre Lotteriegesetze zu ändern. Das Vorgehen der Kommission hat die deutschen Abgeordneten in Straßburg aufgeschreckt. Sie fürchten, dass die Kommission unter dem Vorwand, dem Gemeinschaftsrecht Geltung zu verschaffen, doch versucht, das Lotterie- und Wettgeschäft zu liberalisieren.