Deutschland. Was für ein Land! Die nette Serviererin trägt Cafelatte nach draußen, wo es früher nur Kännchen gab. Sie macht es gern, es ist ihr Minijob. Das Klima erlaubt es draußen immer länger. Dafür sind wir lange Jahre extra viel Auto gefahren; nun genießen wir die globale Wärme. Es geht aufwärts. Die ganz, ganz große Koalition aus Schwarz/Rot und Gold hat es geschafft: Im Bertelsman-Ranking der Nationen sind wir schon auf Platz 15 - direkt vor Portugal!
Trotzdem gibt es noch Strukturprobleme. Muss der Börsengang der Deutschland AG verschoben werden wie bei der Bahn? Wir alle sind ja Anteilseigner der Deutschland AG. Jeder, der den Personalausweis hat, hält ein Wertpapier in der Hand. Wollen wir als Shareholder dafür sorgen, dass der Value wieder steigt, müssen wir sanieren. Konsequent. Also: frisches Kapital besorgen, unprofitable Bereiche ausgliedern und Personal verschlanken. Hier wurden schon lange keine Gewinne mehr ausgezahlt. Im Gegenteil: seit dem 1.11.2005 müssen wir sogar für das Wertpapier Ausweis 59 Euro zahlen. Und wir dürfen auf dem Foto nicht lächeln, damit die wahre Stimmung rüberkommt. Trotz jüngster Steuergewinne: Die Deutschland AG ist hoch verschuldet. Mit weit über 1,5 Billionen Euro. Pro Kopf gute 18.500 Euro!
Was tun? Zuschauen, bis mohammedanische Ölscheichs uns aufkaufen oder der Russe mit seinen Gasmilliarden kommt? Greifen wir selbst in die Tasche: Jeder Deutsche zahlt einfach die fehlenden 18.500 Euro ein. Eine simple Kopfpauschale! Wer das Geld nicht hat, gibt seine Aktie in Form des Ausweises ab. Das bedeutet für die Unterschicht und alle neuen Bundesländer: Tschüssikowski. Das ist Begrüßungsgeld einmal andersrum. Was Siemens mit der Handysparte misslang, sollten wir in der Deutschland AG schaffen: unprofitable Konzernteile ausgliedern. Also weg mit maroden Kostenfressern wie Saarland, Berlin und Mecklenburg-Vorpolen! Die werden meistbietend an Tschechien, Taiwan oder Brüssel verkauft. Ebenso Sachsen-Anhalt, wo der Stillstand schon im Namen steckt.
Wer dann in der schlanken Deutschland AG noch keine Arbeit hat, sollte gehen. Das ist keine unmenschliche Härte, sondern notwendige Flexibilität. Die Welt ist groß. Wir sagen: Machen Sie in Indien mit. Da ist die Miete auch günstiger. Oder vielleicht sind Sie nach einer kleinen Gesichtsoperation bald selbst schon in China dabei! Ihr Arbeitsplatz ist sowieso morgen in Peking oder in der Ukraine. Was wollen Sie dann noch hier? Die Deutschland AG ist keine globale Wärmestube! Wir können keine Beschäftigungs- und Bestandsgarantie geben. So etwas hat früher die DDR gemacht. Und die musste einen Zaun um ihr marodes Betriebsgelände ziehen; pleite ging sie trotzdem. So wird die Deutschland AG zukunftsfähig. Packen wir es gleich an. Gesundheitsreform. Sind nicht Männer wie CSU-Frankenführer Söder dafür genau richtig? Söder, der Sparpotentiale überall sehen kann, der Hartz IV-lern den Urlaub streichen will? In seiner Heimat Nürnberg ist man sogar schon weiter: Dort haben offensichtlich Mitarbeiter des Bestattungsamtes planmäßig Zahngold von Verstorbenen entwendet und verkauft. Ja, da ist noch Sparpotential. Wieso braucht ein altes Ehepaar zwei Gebisse? Auch in diesem Kurs steckt, wie wir Börsianer sagen, noch Phantasie. Bildet Altersgruppen: ein Gebiss. Und zehn Adapter! Wenn von Kindern in China genähte Turnschuhe uns bis ins Alter fit halten - die Zähne, die sie mit flinken Fingern formen, tun das auch. Der Chinese hat das Porzellan erfunden. Und er kann auch Tauschorgane liefern. Frisch - aus eigener Hinrichtung. Im Gegenzug liefern wir das Know-how unserer todsicheren Transrapid-Technologie.
Gehen tut alles. Man muss die Themen nur nüchtern und frei von ideologischen Vorurteilen anpacken. Die freundliche Minijobberin kettet die Stühle an und geht rein. Die Blätter fallen und bedecken die Unterschicht. Es wird Hartz in Deutschland. Was für ein Land!
Der Autor ist Kabarettist und war 1977 bis 1989 Mitglied des legendären Spaßguerilla-Ensembles "Die 3 Tornados". 2003 wurde er mit dem Deutschen Kleinkunstpreis ausgezeichnet. Bis Juni 2007 tourt Rating mit seinem Programm "Reich ins Heim".