Was sagen Standort-Rankings aus? Wenn man nur kurz nachdenkt, muss man sich die Details gar nicht anschauen, sondern die Antwort kann nur lauten: Die Rankings sind in ihrer Gesamtheit praktisch ohne jede Aussagekraft. Denn zum einen sind sie nicht konsistent, Deutschland landet auf ganz unterschiedlichen Plätzen. Und zum anderen widerspricht die Behauptung mangelnder Wettbewerbsfähigkeit krass der Tatsache, dass Deutschland seit Jahren immer wieder Export-Weltmeister wird.
Das Überzeugendste an den Rankings sind die eindrucksvollen Titel. Etwa "IMD - World Competitivness Yearbook Report". Oder "Index of Economic Freedom". Man kann auch den "Europäschen Innovationsanzeiger" lesen und findet schließlich die in Reform-Diskursen unvermeidliche Bertelsmann Stiftung, die das Werk "Internationales Standort Ranking - Standort Check" beisteuert.
Besonders bedenklich ist: Etliche der Rankings beruhen auf Auskünften von Managern und anderen Wirtschaftsführern. Dies bedeutet, dass länderspezifische Stimmungen und Attitüden das Ergebnis stark beeinflussen. Wenn in Deutschland Lobbyisten seit zwei Jahrezehnten die Standort-Qualität beklagen, um die Bedingungen für die exportierende Industrie immer noch weiter zu verbessern, muss man sich nicht wundern, dass Manager in Befragungen über die deutsche Standortqualität auch auf diese Lamento-Strategie setzen. Viele glauben wahrscheinlich sogar wirklich, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland schlecht sei, da sie ja nie etwas anderes gehört oder gesehen haben. Dass sie gleichzeitig höchst erfolgreiche Exporteure von Waren und Dienstleistungen sind, verdrängen sie.
Andererseits reden die Wirtschaftslenker in mehr oder weniger erfolgreich aufstrebenden Volkswirtschaften ihre Standorte schön, um sie für ausländische Investoren attraktiv zu machen. So kann es geschehen, dass eine Studie des so genannten World Economic Forum feststellt, dass von 104 untersuchten Ländern Deutschland das allerschlechteste Steuersystem hat. Sogar Bundespräsident Horst Köhler bezog sich auf diese Studie und beklagte, dass Deutschland auf dem letzten Platz liegt. Der Journalist Andreas Hoffmann von der "Süddeutschen Zeitung" hat offenbar als einer von ganz wenigen die Studie tatsächlich gelesen und festgestellt, dass das deutsche Ergebnis auf den Auskünften von 70 deutschen Führungskräften beruht. Die haben offenbar kräftig schwarzgemalt. So konnte es passieren, dass Länder das bessere Steuersystem haben sollen als Deutschland, die in Wirklichkeit durch Vetternwirtschaft und Korruption nicht vorankommen: etwa Äthiopien, Bangladesch, Ghana, Mali, Malawi und Simbabwe.
Wer genau hinschaut, findet auch Standort-Rankings, bei denen Deutschland oben steht. Diese werden aber in der Öffentlichkeit systematisch übersehen. Genannt sei ein Ranking der Unternehmensberatung Ernst & Young, die 1019 international tätige Unternehmen befragt hat (das Urteil über Deutschland beruht nicht auf unserer Binnensicht, sondern auf einer Außensicht). Danach ist Deutschland der attraktivste Standort in Europa und kommt im weltweiten Ranking auf Platz drei hinter den USA und China. Besonders geschätzt wird das Land für seine Infrastruktur, die Qualität von Forschung und Entwicklung sowie die gute Ausbildung der Arbeitskräfte. Nicht zuletzt sind die von Deutschland aus erschließbaren Vorteile desEU-Binnenmarktes ein großes Plus.