Mitten in dieser Idylle aber sind gerade wieder 130 Tonnen flüssiges Metall 1.200 Grad heiß in eine riesige Zementform geflossen; es riecht verbrannt, wie nach gerade explodierten Silvesterböllern. Nirgends sonst in der Welt werden so große Teile gegossen. Hier in der Mecklenburger Provinz produziert der Weltmarktführer für großformatige Schiffsschrauben. In der Zementform entsteht ein Propeller mit mehr als neun Metern Durchmesser, so hoch wie ein dreistöckiges Haus. Bei den Kunden in Japan, Korea, China und den USA sind sie berühmt, das stille Waren an der Müritz und die in der deutschen Öffentlichkeit wenig bekannte kleine Mecklenburger Metallguss GmbH mit ihren nur 200 Mitarbeitern.
Das Unternehmen ist das, was als "hidden champion" bezeichnet wird: Ein versteckter Sieger, ein stiller Star. Mittelständler sind das, also kleinere und mittlere Firmen mit meist weniger als 500 Mitarbeitern. Sie gelten als das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Rund 99 Prozent aller Unternehmen zählen dazu, 76 Prozent der Beschäftigten arbeiten hier, 41 Prozent des Umsatzes der deutschen Wirtschaft machen sie, wie das Institut für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim erklärt. Etwa 1.100 dieser deutschen Mittelständler aber sind in ihrem Marktsegment weltweit führend.
Die Mecklenburger Metallguss GmbH (MMG) etwa hat einen Weltmarktanteil von gut einem Viertel. 80 Prozent der von ihr jährlich gefertigten 140 Riesen-Schiffsschrauben werden ins Ausland verkauft. 50 Millionen Euro setzten die Mecklenburger damit um. Im kommenden Jahr werden es 75 Millionen sein, 2008 sogar 88 Millionen Euro. Nicht Prognosen sind das, darauf legen die geschäftsführenden Gesellschafter Manfred Urban und Jürgen Eberlein wert, sondern durch Aufträge gesicherte Zahlen. MMG wächst damit in einer Geschwindigkeit, wie man es vor allem von den öffentlich gefeierten börsennotierten Internet-Unternehmen des Neuen Marktes kannte - vor dessen Zusammenbruch. Die stillen Stars wie MMG aber sind solide und unbekannt.
Beim Gang durch die Hallen hat Jürgen Eberlein seine Augen überall, er kennt jeden seiner Mitarbeiter mit Namen und hat immer Zeit für einen Plausch. Familiär geht es zu bei diesem Weltmarktführer. Und vielleicht trägt das dazu bei, dass alle hier mit enormer Sorgfalt arbeiten. Die Fertigung der gigantischen Schiffsschrauben ist High-Tech. Sie bestehen aus einer besonderen Mischung aus Kupfer, Mangan, Nickel und Aluminium. Sie müssen extrem glatt geschliffen werden; die Details sind Betriebsgeheimnis.
Vor wenigen Monaten haben die Mecklenburger den Propeller für den größten Containerfrachter der Welt produziert, die Emma Maersk - 398 Meter lang, 56 Meter breit, 13.400 Containerstellplätze. Mit einem Gewicht von 131,5 Tonnen, das ist schwerer als fünf voll besetzte Reisebusse, und mit einem Durchmesser von knapp 10 Metern ist das die größte Schiffsschraube, die jemals gebaut wurde. Was sich für den Laien einfach nur gigantisch anhört, ist im Schiffbau eine echte Sensation: Der Propeller bringt eine Leistung von 120.000 PS ins Wasser. Stolz klingt der zweite Geschäftsführer, Manfred Urban, wenn er darüber spricht: "Die Fachwelt war vorher der Meinung, einen Propeller für so eine große Leistung kann man nicht entwerfen."
Die Mecklenburger haben es dennoch geschafft - nach zwei Jahren Planung. Worauf gründet sich Ihr Erfolg? "Vertrauen", sagt Urban, ohne lange zu überlegen. "Die Schiffbauer müssen sich darauf verlassen können, dass sie vom Propellerhersteller zur richtigen Zeit das bekommen, was sie erwarten. Sonst kommen sie in große Schwierigkeiten. Denn das Schiff kann erst ins Wasser, wenn der Propeller montiert ist. Unsere Kunden können sich auf uns verlassen." Diese Kombination aus so genannten deutschen Tugenden wie Verlässlichkeit, Wertarbeit und persönlichem Kontakt wissen die Kunden auf der ganzen Welt zu schätzen: Zur Zeit arbeiten die Mecklenburger an weiteren Propellern der Emma-Maersk-Klasse, an der Schraube für das schnellste Containerschiff der Welt, dem Propeller für den größten Flüssiggastanker und an Spezialpropellern für U-Boote, deren Abnehmer natürlich geheim bleiben. Auch Verschwiegenheit gehört da zum Geschäft der Deutschen.
Die ganze Welt als Kunde, das gibt es auch in Monheim am Rhein. Hier bei der Firma Robot liegen Rom und die USA nebeneinander, Pinneberg direkt darunter. Polen liegt neben den Niederlanden, die ihren Platz über Abu Dhabi haben. Mannshoch getürmt stehen die Pakete, so groß wie Umzugskisten und 90 Kilo schwer, für die weltweite Auslieferung bereit. Von Monheim am Rhein, irgendwo hinter Leverkusen, wo der weltbekannte Bayer-Pharmakonzern alles dominiert. Das Kaufhaus heißt Bayer-Kaufhaus, das Stadion "Bayarena".
Die Firma Robot ist im Vergleich winzig. Doch sie verschickt von hier Verkehrsüberwachungsanlagen, besser bekannt als Blitzer oder Starenkästen, in alle Winkel des Planeten. Fast ein Drittel Marktanteil weltweit besetzt das rheinländische Unternehmen. Das ist viel, mag auch der Markt klein sein, weltweit vielleicht 200 Millionen Euro Umsatz im Jahr könnte er umfassen. In Deutschland hat Robot sogar 80 Prozent Marktanteil. Aber drei Viertel der Produktion gehen ins Ausland.
In der mechanischen Fertigung riecht die Weltmarktführerschaft ölig-metallisch. Beim Blick in die Werkshalle fällt es schwer zu glauben, dass hier modernste Technik entsteht. Schwere Maschinen zum Bohren, Biegen, Fräsen stehen hier. Bei Robot ist fast alles Handarbeit; dazu gehören auch die Gehäuse für die hoch auflösenden Digitalkameras.
An diesem Nachmittag gehen sie alle durch die Hände von Andreas Arndt. Auf Hundertstelmillimeter genau bohrt er winzige Löcher ins Metall. Gebeugt sitzt er vor dem Bohrtisch, fixiert das Gehäuseteil mit kleinen Schraubzwingen; zwei, drei Mal lässt er den feinen Bohrer durchs Blech kreischen. Fingerspitzengefühl sei bei dieser Arbeit das Wichtigste, sagt er, legt das gebohrte Gehäuse in eine Kiste zu seiner Linken und spannt das Nächste ein.
Handarbeit ist mühsam. Das weiß nicht nur Andreas Arndt. Das wissen, so erklären sie bei Robot, auch die Kunden in aller Welt. Wieder soll es die Sorgfalt sein, bei der Metallbearbeitung genauso wie beim Zusammenbau der Kameras, die den Erfolg bringt.
"Unser Geschäft ist ein klassisches Unternehmergeschäft", sagt Bernhard Dohmann, der Geschäftsführer. "Unsere Kunden wollen mit dem Chef sprechen." Bei Robot können sie das, obwohl die Firma mittlerweile den Jenoptik-Konzern als größten Anteilseigner hat, agierte sie unternehmerisch völlig selbstständig. Das sei neben der Technik das Erfolgsrezept, sagt Dohmann. "Kundenkontakt hat höchste Priorität. Großunternehmen können so was nicht leisten."
Höchste Priorität bedeutet, auch am zweiten Weihnachtsfeiertag zu einer Präsentation nach Marokko zu reisen. Für Dohmann und Kollegen ist das eine Selbstverständlichkeit. Der Aufbau der Verkehrsüberwachung in Kuwait war eines der größten Projekte der vergangenen Jahre. "Im ersten Jahr nach Inbetriebnahme des Systems ist die Zahl der Verkehrstoten von 140 auf 60 gesunken", erzählt Dohmann. Und genau wie die Mecklenburger Mittelständler klingt auch der Rheinländer bei solchen Erzählungen auf eine stille Art sehr stolz dabei.
Stolz und ziemlich selbstbewusst ist man auch in Schopfheim bei Lörrach, nahe der Grenze zur Schweiz. Dort hat Ekato seinen Sitz. Das Unternehmen ist Weltmarktführer für Rühr- und Mischtechnik. Das klingt nicht aufregend, aber mit Ekato hatte beinahe jeder Mensch schon mindestens einmal zu tun - mehr oder weniger direkt. Denn die Technik von Ekato ist beteiligt an der Herstellung von Marmelade von Zentis, von Cremes von L'Oréal, von Bayer-Antibiotika und Zahnpasta von Procter & Gamble.
"Das ist das Spannende an unserem Geschäft", behauptet Erich Kurt Todtenhaupt, Sohn des Firmengründers und geschäftsführender Gesellschafter, "wir stellen Dinge her, die jedem mittelbar oder unmittelbar im täglichen Leben helfen". Rührwerke als Lebenshelfer - diese Aussage zeigt vor allem eins: dass die Schopfheimer sich unglaublich mit ihren Produkten identifizieren, und das mag wichtig sein für den Erfolg.
Rund 3.000 Kunden aus der Chemie- und Pharma-Industrie beliefert das Unternehmen mit seinen riesigen Spezialmaschinen. Nicht Massenware ist da gefragt, sondern das jeweils genau richtig gebaute Produkt für die höchst unterschiedlichen Ansprüche. Rund 80 Prozent des Umsatzes kommen aus dem Export; die wichtigsten Märkte neben Europa und den USA sind China und Japan.
Im abgelaufenen Geschäftsjahr haben Todtenhaupt und seine weltweit 600 Mitarbeiter, von denen mehr als 400 daheim in Schopfheim tätig sind, erstmals die Marke von 100 Millionen Euro Umsatz geschafft. Und es soll weiter nach oben gehen: In den kommenden fünf Jahren will Ekato jährlich um zehn Prozent wachsen. Angesichts eines Auftragsplus von einem Fünftel im vergangenen Jahr ist das gar kein unrealistisches Ziel.
Der Autor ist Volontär bei "Das Parlament".