Das Parlament: Herr Raff, wie definieren Sie "Grundversorgung" in der digitalen Welt?
Fritz Raff: In der digitalen Welt wird es wichtig, dass von wirtschaftlicher und politischer Seite unbeeinflusste Informationen zur Verfügung stehen. Wir wollen in dieser Welt eine sichere Bank für die Nutzer sein, wo sie seriöse, qualitativ gute Programme finden können. Von daher sehe ich diese zukünftige digitale Welt als eine Welt an, in der die Grundversorgung gewissermaßen eine Renaissance erlebt und eine ganz erhebliche Bedeutung haben wird.
Das Parlament: Die ARD erfährt aber Beschränkungen beim Zugang zur digitalen Welt?
Fritz Raff: Ich sehe nicht, dass diese Beschränkungen dauerhaft Bestand haben werden. Ich weiß aus Gesprächen mit Politikern, dass ihnen klar ist, dass man die digitale Welt nicht mit Begriffen aus der vergangenen, analogen Welt beschreiben kann. Wir müssen neue Wege gehen. Das wirft auch neue rundfunkrechtliche und medienpolitische Fragen auf. Wir sind alle gut beraten, wenn wir diese Diskussion über die Ausgestaltung der digitalen Welt vorurteilslos führen.
Das Parlament: Wie vertragen sich Quote und Grundversorgung?
Fritz Raff: Ich glaube nicht, dass massenattraktive Programme an sich ein Widerspruch zur Grundversorgung sind. Manche Kritiker tun so, als wären zehn Musikantenstadl schon ein Anschlag auf die demokratische Grundordnung. Von daher sehe ich unsere Pflicht darin, dass wir natürlich auch wechselnde Minderheiten bedienen. Daneben müssen wir in unserem breiten Programmangebot noch mehr versuchen, nicht nur allen gerecht zu werden, sondern allen qualitativ Anspruchsvolles anzubieten.
Das Parlament: Die Politmagazine haben 1,2 Millionen Zuschauer verloren, ein Ergebnis der Programmreform 2006. Demontieren Sie nicht Ihre Marken und das Qualitätsprofil, wenn Sie weniger auf Hintergrund und politische Aufklärung setzen?
Fritz Raff: Dass der Zuschauerrückgang bei einigen politischen Magazinen Befürchtungen auslöst, kann ich nachvollziehen. Ich selbst habe schon eingeräumt, dass die mit der Vorverlegung der Tagesthemen einhergehende Kürzung der Sendezeit der politischen Magazine eine problematische Entscheidung war. Auf der anderen Seite haben alle Nachrichtensendungen im vergangenen Jahr einen Zuschauerrückgang zu verzeichnen, also nicht nur ARD und ZDF. Wir haben mit dem Schritt, die Tagesthemen vorzuziehen, als einzige bei einer Nachrichtensendung im vergangenen Jahr im Schnitt 200.000 Zuschauer dazugewonnen.
Das Parlament: Die Reform der Rundfunkgebühren steht an. Wie sehen Sie die aktuelle Diskussion?
Fritz Raff: Das Karlsruher Urteil zum Gebührenfestsetzungsverfahren wird wohl im ersten Halbjahr kommen. Parallel werden wir jetzt in Folge der letztjährigen PC-Gebühren-Diskussion auch eine Diskussion darüber erleben, ob es bei der gerätebasierten Rundfunkgebühr bleiben soll oder nicht.
Das Parlament: Und wie könnte eine Alternative aussehen?
Fritz Raff: Wir meinen, dass das heutige Gebührenaufkommen garantiert werden muss. Es sollte auch nicht zu einer Umverteilung kommen, das heißt, dass Familien oder Einzelpersonen mehr belastet werden als bisher. Bisher ist die Wirtschaft mit rund sieben Prozent am Gebührenaufkommen beteiligt. Wir sollten solche Modelle finden, die diese Beteiligung aufrechterhält. Mir geht es nicht um eine Mehrbelastung der Wirtschaft, sondern darum, dass die Gebühr nicht zu Lasten von Privathaushalten geregelt wird. Eine neue Gebühr darf nicht zu bürokratisch sein. Sie muss EU-tauglich sein und sozial gerecht.
Das Parlament: Droht wegen der Gebühren ein Wiederaufflammen des Streits mit der EU?
Fritz Raff: Das sehe ich nicht. Die Länder werden ja nach der jetzigen Einigung im Beihilfeverfahren daran gehen, das, was sie mit Brüssel abgesprochen haben, in nationales Recht umzusetzen. Das wird pa-rallel zur Gebührendiskussion und zum Gebührenfestsetzungsverfahren verlaufen. Was die Länder entscheiden, wird EU-tauglich sein und deshalb keine neue Beihilfediskussion entflammen.
Das Interview führte Ines Gollnick