Einleitung
Sie waren heiß umstritten - die so genannten Vätermonate im Gesetzentwurf zum Elterngeld. Am Ende der politischen Debatte stand trotzdem ein Kompromiss, der die grundsätzliche Intention des Entwurfs beibehielt: Mit der Einführung des Elterngeldes ab Januar 2007 fördert die Bundesregierung nun ein Familienmodell, in dem sich Männer und Frauen die Betreuungs- und Erziehungsaufgaben partnerschaftlich teilen sollen. Damit rückt das Bundesfamilienministerium verstärkt Männer, insbesondere Väter, in den Fokus seiner aktuellen Politik.
Lange Zeit war die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nahezu ausschließlich ein Frauenthema. Das soll sich jetzt ändern. Denn Kinder brauchen aktive Väter; Frauen wünschen sich partnerschaftliche Männer; und junge Väter wollen mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen. Doch das ist noch nicht alles: Wer will, dass Frauen mehr berufliche Führungsverantwortung ausüben, muss Männer bei der Vereinbarung von Beruf und Familie unterstützen! Denn zwischen besseren beruflichen Aufstiegschancen von Frauen und dem Engagement ihrer Partner im familiären Bereich besteht eine enge Verbindung. Doch häufig treffen Männer, die sich um mehr Präsenz in der Familie bemühen, auf noch stärkere Barrieren als Frauen - das zeigen die Ergebnisse der Studie "Karrierek(n)ick Kinder", welche die Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF) 1jetzt im Auftrag der Bertelsmann Stiftung erstellte.
Die Studie: "Karrierek(n)ick Kinder"
Die Studie untersucht Mütter in Führungspositionen und deren Erfolgsstrategien, Erfahrungen und Ressourcen. Wie gelingt es diesen Müttern, die umfangreichen Anforderungen erfolgreich zu bewältigen? Welche Strategien haben sie entwickelt, wo erhielten sie Unterstützung? Was muss geschehen, damit künftig mehr Frauen und Männer Kinder und Karriere miteinander vereinbaren können? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der bislang umfangreichsten Untersuchung über Frauen mit Führungsverantwortung und Kindern in Deutschland. Sie fand im Rahmen des Leitprojekts "Balance Familie und Arbeitswelt" statt, welches das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung durchführt. Für die Studie "Karrierek(n)ick Kinder" befragte die EAF gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen people & process Consulting insgesamt knapp 500 Mütter in Führungspositionen in der Privatwirtschaft. Die Befragten sind in herausragenden Positionen in großen und mittleren Unternehmen tätig oder leiten ein eigenes Unternehmen mit bis zu 5 000 Beschäftigten. Die interviewten Frauen arbeiten in unterschiedlichen Regionen und Branchen. Die unter den Interviewpartnerinnen am häufigsten vertretenen Wirtschaftszweige sind der Automobilbau, Banken und Versicherungen, das Buch- und Verlagswesen, die Informationstechnologie, die Medien, der Maschinenbau, die Chemieindustrie sowie der Bereich Verkehr und Logistik. Das Alter der befragten Frauen variiert zwischen 23 und 64 Jahren; mehr als die Hälfte von ihnen hat zwei oder mehr Kinder.
Die Studie gliedert sich in zwei Teile und kombiniert qualitative und quantitative Forschungsmethoden. Im ersten Teil führte die EAF im Rahmen einer Fallstudie Intensivinterviews mit Müttern in Führungspositionen. Mittels dieser Einzelinterviews mit ausgewählten Frauen mit sehr hoher Führungsverantwortung konnten wir eine differenzierte Analyse spezifischer Erfahrungshintergründe, Relevanzstrukturen und Bewältigungsstrategien erstellen. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse wurde im zweiten Teil der Untersuchung eine Online-Befragung durchgeführt. Da die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht ausschließlich als Frauenthema betrachtet werden sollte, wurde in den Interviews den Fokus auch auf die Rolle des Partners und die Erfahrungen der Frauen mit Vätern im Unternehmen gerichtet. Ergänzend erfolgten einige exemplarische Interviews mit Männern in Führungspositionen, die ihre Vaterrolle aktiv ausüben.
Die Ausgangslage: Mütter in Führungspositionen
Nur wenigen Frauen gelingt es in Deutschland, Familie und beruflichen Aufstieg miteinander zu verbinden. Das konservative Familienmodell mit traditioneller Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen ist fest in die Strukturen der Gesellschaft eingelassen und wird nur sehr langsam brüchig. Aus volkswirtschaftlicher Perspektive handelt es sich hierbei um ein Paradoxon mit höchst bedenklichen Auswirkungen: Frauen werden zunächst zu hochqualifizierten Fachkräften ausgebildet, anschließend jedoch nur halbherzig in den Arbeitsmarkt eingebunden. Während Frauen unter den Abiturienten noch die Mehrheit bilden, liegen sie bei den Studienabschlüssen schon leicht hinter den Männern zurück, und mit zunehmender beruflicher Position wird ihr Anteil geringer. Trotz hoher Motivation scheitern sie oft an der so genannten Gläsernen Decke, der unsichtbaren Zutrittsbarriere der Führungsetagen. Nur wenigen gelingt der Aufstieg in eine hohe Führungsposition im Unternehmen.
Die starke Polarisierung von Männlichkeit und Weiblichkeit ist ein Wesensmerkmal der Moderne. Im Zuge der Aufklärung geriet im ausgehenden 18. Jahrhundert die Verschiedenheit der Geschlechter zum gesellschaftlichen Ideal der entstehenden bürgerlichen Gesellschaft. Männer traten als Bürger im öffentlichen Raum auf, Frauen hingegen wurde der private Bereich mit Haushalt und Kindererziehung zugeschrieben. Während sich männliche Identität durch Beruf und politische Partizipation definierte, verlief die weibliche Identitätsbildung über Mutterschaft und soziale, sorgende Dienste. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts konnten Frauen in Deutschland die ersten Erfolge im Kampf um ihre Rechte als Bürgerin erzielen. Durch den Nationalsozialismus wurden sie jedoch auf dramatische Weise gestoppt und auf eine traditionelle Rolle zurückgeworfen. Die Folgen dieser Entwicklung ziehen sich noch heute in feinen, aber gewichtigen Spuren durch die Gesellschaft.
Die Geburt eines Kindes bedeutet für viele Frauen noch immer das Ende ihrer beruflichen Karriere. So zeigt auch die von der Bundesregierung und den Spitzenverbänden derdeutschen Wirtschaft in 2006 vorgelegte "2. Bilanz Chancengleichheit", dass zwar derAnteil von Frauen in Führungspositionen in Deutschland größer wird, Mütter jedoch nach wie vor selten in Führungsverantwortung sind. Während Frauen unter 30 Jahren mit 43 Prozent noch fast genauso stark in Leitungspositionen vertreten sind wie gleichaltrige Männer, sinkt ihr Anteil mit der Familiengründung und verbleibt auf einem niedrigen Niveau von circa 20 Prozent. 2
Obwohl sich viele Paare heute ein egalitäres, partnerschaftliches Lebensmodell wünschen, führt die Geburt eines Kindes häufig zu einem traditionellen Geschlechterarrangement. Mangelnde Kinderbetreuungsangebote und das konservative gesellschaftliche Wertesystem führen dazu, dass die Erwerbstätigkeit von Frauen durch die Familiengründung erheblich beeinträchtigt wird - eine fatale Entwicklung, denn durch die Unterbrechung oder die Reduktion der Erwerbstätigkeit werden die ohnehin geringeren beruflichen Aufstiegschancen von Frauen zusätzlich minimiert. 3 Dagegen ist die Erwerbstätigenquote der Väter höher als jene der Männer ohne Kinder. 4
Im europäischen Vergleich der Erwerbsbeteiligung von Frauen mit Kindern belegt Deutschland einen hinteren Platz. 5 Doch nur in wenigen Fällen entspricht das dem eigenen Wunsch - 70 Prozent der nicht erwerbstätigen Mütter mit Kindern bis zu zwölf Jahren wünschen sich in den westdeutschen Bundesländern die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, in Ostdeutschland sind dies sogar 90 Prozent. 6
Die aktuelle demographische Entwicklung in Deutschland und der absehbare Fach- und Führungskräftemangel zwingen jedoch dazu, Familie und berufliche Karriere nicht länger im Sinne eines Entweder-Oder zu diskutieren. Unsere Gesellschaft braucht Frauen als qualifizierte Fach- und Führungskräfte und als engagierte Mütter. Gleichzeitig benötigen wir auch ein neues Rollenverständnis für Männer: Es gilt, das Bild des erfolgreichen Geschäftsmannes um den Aspekt des fürsorglichen Vaters und Partners zu ergänzen.
Ein solches modernes Verständnis von Karriere und Führung würde die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen erheblich fördern. Gleichzeitig birgt es Vorteile für die Unternehmen. Aktuelle Studien zur Wirksamkeit von Diversity Management - einer Strategie zum Management der individuellen Vielfalt von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern - sprechen von Wettbewerbsvorteilen hinsichtlich der Innovationsfähigkeit, der Gewinnung von Kundinnen und Kunden sowie der Konkurrenz um qualifiziertes Personal. 7
Auch die Ergebnisse der Studie "Karrierek(n)ick Kinder" zeigen, dass es sich für Unternehmen lohnt, Mütter in Führungspositionen zu beschäftigen. Denn die Familie ist für diese Frauen weniger eine Belastung als vielmehr eine Ressource. Sie sitzt ihnen nicht - wie landläufig oft angenommen - im Nacken, sondern sie stärkt ihnen im Gegenteil den Rücken und schafft einen Ausgleich zu den oft einseitigen Belastungen im beruflichen Umfeld.
Zentrale Ergebnisse der Studie
"Mein Beruf und meine Familie ergänzen sich für mich wunderbar. Mir stellte sich nie die Frage, im Beruf zurückzustecken oder weniger Engagement zu bringen, um mehr private Zeit zu haben. Ich hatte einfach den Wunsch, sowohl mein Kind so viel wie möglich zu sehen als auch beruflich erfolgreich zu sein. Es gab mir sogar einen Kick, dass ich nicht sagen konnte, wenn es mir zu viel wird, dann bleibe ich zu Hause. Meine Familie ist für mich eine unglaubliche Bereicherung. In der Firma lebt man ja oft in einer eigenen Welt mit spezifischen Zielen und Anforderungen, und ich genieße es sehr, eine private Welt dagegen setzen zu können." Regine Stachelhaus, Geschäftsführerin HP Deutschland, Managerin des Jahres 2005.
Kinder und Karriere können sich gut ergänzen - das unterstreichen die Ergebnisse der Studie "Karrierek(n)ick Kinder". Die interviewten Frauen schöpfen nicht nur Lebensfreude, sondern auch Gewinn aus ihrer Familie - sowohl hinsichtlich ihrer persönlichen Zufriedenheit als auch hinsichtlich ihres beruflichen Erfolgs. So greifen nach Ansicht unserer Interviewpartnerinnen familienbezogene Kompetenzen und Führungskompetenzen ineinander und verstärken sich gegenseitig. Gelassenheit und Organisationsfähigkeit werden durch die Familiengründung gestärkt und kommen den Frauen auch im Beruf zugute. Sie sind gefordert, den eigenen Perfektionismus zu minimieren und stärker als bisher Aufgaben zu delegieren. Durch ihr effizientes Arbeiten unterstützen sie eine moderne Arbeitsorganisation, die zunehmend weniger Anwesenheit als vielmehr Ergebnisse bewertet und die Selbständigkeit im Team fördert. Potenziale von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern werden besser und früher erkannt. Damit üben Mütter in Führungspositionen eine Vorbildfunktion im Sinne moderner Personalführung und Unternehmensorganisation aus.
Die befragten Frauen sind hoch engagierte und motivierte Führungskräfte. Klarheit über die eigenen Ziele und Werte sowie sehr gute Organisationsfähigkeit und eine hohe Belastbarkeit und Stressresistenz sind aus ihrer Sicht unbedingt notwendig, um die teilweise extrem hohen Anforderungen, die an Mütter in Führungspositionen gestellt werden, über einen längeren Zeitraum erfolgreich zu bewältigen. Ein Leben ohne Berufstätigkeit ist für die meisten Frauen ebenso wenig vorstellbar wie ein Leben ohne Kinder. Dafür nehmen sie bewusst in Kauf, unter starkem zeitlichen Druck zu stehen und - zumindest vorübergehend - über wenig Zeit für eigene Interessen oder Freundschaften zu verfügen. "Ich verdeutliche mir immer wieder, dass ich im Moment einfach nicht so viel zähle. Es geht jetzt nicht darum, dass ich mich in meiner Freizeit verwirkliche, sondern dass wir als Eltern unseren Kindern zur Verfügung stehen. Das ist für jemand, der früher ein hedonistisches Double-income-no-kids-Leben hatte, durchaus ernüchternd. Aber dann sage ich mir: Es ist jetzt nicht meine Zeit, es ist unsere Zeit. Ich bin jetzt Teil eines größeren Ganzen." Abteilungsleiterin, 35 Jahre, drei Kinder, Großunternehmen.
Wir fragten unsere Interviewpartnerinnen, ob sie die Mutterschaft strategisch geplant haben: Gibt es den idealen Zeitpunkt? Nein, sagen die Ergebnisse der Studie. Es gibt zwar eine Tendenz zur späteren Geburt ab einem Alter von 30 Jahren, insgesamt gibt es jedoch kein einheitliches Muster. Eine Frau, die am Ende ihrer Schulzeit ihr erstes Kind bekam, konnte den beruflichen Aufstieg ebenso meistern wie diejenige, die sich zuvor durch verantwortungsvolle Funktionen im Unternehmen quasi unentbehrlich gemacht hatte.
Es gibt offenbar weniger den "richtigen Zeitpunkt" als vielmehr die "richtige Haltung". Die interviewten Frauen zeichnet einepragmatische und gleichzeitig proaktive Grundhaltung aus. Sie treten offensiv für ihre Interessen ein - sowohl im beruflichen wie im privaten Umfeld. Dabei verlieren sie jedoch die Anforderungen und Belange ihres Gegenübers nicht aus dem Blick. Ihre Haltung gegenüber dem Unternehmen ist von Kompromissbereitschaft geprägt und lässt sich als "Geben und Nehmen" beschreiben.
Auffällig ist, dass sehr viele der Befragten ihre Berufstätigkeit nach der Geburt des Kindes bzw. der Kinder nur kurz unterbrochen haben. Häufig erfolgte der Widereinstieg direkt nach dem Mutterschutz. Zwei Drittel der befragten Frauen haben ihre Berufstätigkeit nicht länger als sechs Monate unterbrochen. Frauen, die zum Zeitpunkt der Geburt bereits in einer Führungsposition waren, nahmen generell kurze Auszeiten. Unternehmerinnen stiegen oft sogar schon wenige Tage nach der Geburt wieder ein - hier verschmelzen berufliches und privates Leben stark miteinander. "Nach fünf Tagen habe ich wieder im Büro gesessen. Meine Schwiegermutter war im Haus und hat die Kinder betreut. Dadurch, dass der Betrieb neben dem Wohnhaus liegt, gab es da keine räumliche Trennung. Die Kinder wussten immer, wo ich bin. Es ist ja egal, ob ich in der Küche stehe oder im Büro sitze. Wichtig ist, dass die immer rein konnten. Da kannten sie auch nichts, mit Eis verschmiert oder mit Regenschirm und Gummistiefeln kam die Kleine hier rein. Da konnte der Vorstand irgendeines Unternehmens hier sitzen, das war egal. Das wussten meine Kinder, dass ich immer für sie erreichbar bin." Geschäftsführende Gesellschafterin, 55 Jahre, 2 Kinder, mittelständisches Unternehmen.
Frauen, die in großen oder mittelständischen Unternehmen angestellt sind, verfügen in der Regel über weniger Gestaltungsspielraum. Doch haben alle Befragten individuelle Regelungen zur Flexibilisierung von Arbeitzeit und Arbeitsort vereinbaren können. Häufig wird ein Teil der Arbeit in die Abendstunden verschoben und dann am Schreibtisch zu Hause erledigt. Das gibt den Müttern die Freiheit, auf unvorhergesehene Situationen wie die Krankheit des Kindes oder den Ausfall der Kinderbetreuung flexibel zu reagieren und Freizeitaktivitäten mit den Kindern auch einmal in der Woche nachgehen zu können.
Die Möglichkeit, Arbeitszeit in Teilen flexibel gestalten zu können, ist den Befragten erheblich wichtiger als eine Reduzierung. Mehr als 80 Prozent der Teilnehmerinnen der Studie üben ihre Führungsposition in einer Vollzeittätigkeit aus, deren wöchentlicher Umfang zwischen 40 und 60, in einigen Fällen bei 70 Stunden liegt. Ein Viertel der Frauen hat nach der Rückkehr aus dem Mutterschutz oder der Elternzeit zunächst eine Teilzeittätigkeit ausgeübt, die meist nach einiger Zeit in eine Vollzeittätigkeit überführt wurde. "Ich habe direkt nach dem Mutterschutz wieder angefangen, Vollzeit zu arbeiten. Damals hatte ich die Vereinbarung mit meinem Chef, dass ich nachmittags immer zu einer bestimmten Zeit gehe. Er wusste, wenn er mich nach 16.30 Uhr braucht, erreicht er mich zu Hause oder mobil. Ich war immer zu erreichen. Ihn hat es nicht gestört, wenn Spielplatzgeräusche im Hintergrund zu hören waren." Bereichsleiterin, 41 Jahre, zwei Kinder, Großunternehmen.
Basis der Zufriedenheit unserer Interviewpartnerinnen ist ihre Sicherheit, dass die Betreuung der Kinder gewährleistet ist. Dabei erfordert die Sicherstellung der Kinderbetreuung eine hohe Organisationskompetenz. In der Regel handelt es sich dabei um einen Mix aus öffentlichen oder betrieblichen Kinderbetreuungsangeboten, zusätzlich privat finanzierter Kinderbetreuung sowie der Unterstützung durch den Partner, durch Familienangehörige und durch Freunde und Freundinnen. Die Mütter möchten dabei ihre Kinder nicht nur betreut, sondern auch gefördert wissen. Deshalb ist es aus ihrer Sicht problematisch, dass es keine verbindlichen Qualitätsstandards für die Kindertagespflege gibt. Gerade unter diesem Aspekt halten sie den flächendeckenden Ausbau bedarfsgerechter Kinderbetreuung für absolut dringlich.
Unsere Interviewpartnerinnen berichten von einer großen Zufriedenheit mit der Entwicklung ihrer Kinder. Sie erleben diese als sehr selbständig und kontaktfreudig und sind überzeugt, dass sich ihr Lebensmodell positiv auf die Kinder ausgewirkt hat. Natürlich gab es auch schwierige Situationen, in denen die Kinder insbesondere über zu wenig Zeit geklagt haben und es nicht leicht war, ihnen zu erklären, warum die eigene Familie anders lebt als die Kinder in ihrem Umfeld. Langfristig betrachtet erhielten die Frauen jedoch viele positive Rückmeldungen der Kinder und erlebten oft, dass sie für diese eine Vorbildfunktion ausüben.
Von elementarer Bedeutung für die erfolgreiche Vereinbarung von Kindern und Karriere ist die Unterstützung des Partners. Es gehört zu den auffälligsten Befunden der Studie, dass die Partner in der Mehrzahl der Fälle nicht nur die Karriere der befragten Frauen akzeptieren und moralisch unterstützen, sondern dass sie sich partnerschaftlich mit ihnen in die Familienpflichten teilen. Zwei Drittel der Väter kümmert sich stärker oder zu gleichen Teilen um den Haushalt und die Betreuung der Kinder. 14 Prozent der Partner haben Elternzeit in Anspruch genommen - eine Quote, die weit über dem bundesdeutschen Durchschnitt von knapp fünf Prozent liegt. Viele Partner haben sich nach der Familiengründung bewusst Arbeitsbedingungen geschaffen, die es ihnen ermöglichen, Familienpflichten nachzugehen. Jedoch ist es nicht allen Männern gelungen, entsprechende Wünsche im eigenen Unternehmen durchzusetzen. Die Studie zeigt, dass es für Männer schwieriger ist als für Frauen, sich berufliche Freiräume zur Vereinbarung von Kindern und Karriere zu schaffen. "Im Beruf war es für mich sehr schwierig. Meine Kollegen und das Management konnten meinen Wunsch nach mehr Flexibilität zugunsten der Familie nur schwer akzeptieren. Das war für meine Frau wesentlich einfacher. Umgekehrt, im privaten Bereich, erhalte ich viel Anerkennung. Bei ihr wird es dagegen als selbstverständlich angesehen, dass sie sich um die Familie kümmert. Niemand lobt sie dafür oder hebt das besonders hervor." Referatsleiter, 37 Jahre, ein Kind, Großunternehmen.
In vielen Unternehmen gibt es inzwischen gute Ansätze zur Förderung der Familienfreundlichkeit. Trotzdem berichten unsere Interviewpartnerinnen, dass es noch keinen selbstverständlichen Umgang mit dem Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie gibt. So mussten die befragten Mütter in Führungspositionen vereinbarkeitsfreundliche Regelungen immer wieder selbst vorschlagen und einfordern. Unterstützende Beratung oder ein professionelles Personalmanagement, das den Umgang mit Vereinbarkeit systematisiert, gab es kaum.
Die dezidierte Förderung durch (informelle) Mentoren oder durch die Personalabteilung wurde in vielen Fällen als entscheidend für die eigene berufliche Weiterentwicklung erlebt, da sich die Frauen mit starken Widerständen im beruflichen Umfeld konfrontiert sahen. Häufig wurde ihnen mit der Geburt eines Kindes automatisch ein nachlassendes Interesse an beruflichem Erfolg unterstellt. Sie mussten sehr deutlich signalisieren, dass sie ihre beruflichen Ambitionen auch mit Familie verfolgen und ihre Leistung weiter ins Unternehmen einbringen wollen. "Die Vorwürfe von außen waren teilweise extrem. Warum schaffst Du Dir Kinder an, wenn du Dich nicht um sie kümmerst?` Das ist so schlimm gewesen, dass ich über Jahre meine Kinder gar nicht erwähnt habe. Viele Kollegen haben nie erfahren, dass ich Kinder habe. Es war eine bewusste Entscheidung, das nicht zu sagen. Ich wollte mich schützen. Denn sonst fragen alle entsetzt, wie ich das hinkriege, und dann kommt man permanent in eine Verteidigungsposition. Das wollte ich vermeiden." Geschäftsführerin, 44 Jahre, zwei Kinder, Großunternehmen.
Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse zeigen, dass Mütter in Führungspositionen hoch motiviert und engagiert sind. Sie verfügen über ein hohes Potenzial und über Ressourcen, die sie zusätzlich stärken und ihre Kompetenzen erweitern. Sie sind ein Gewinn für Unternehmen. Gleichzeitig unterstreicht die Studie aber auch, dass Frauen und Männer, die Kinder und Karriere miteinander vereinbaren wollen, auf starke Barrieren treffen. Politik und Unternehmen sind gefragt, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es künftig mehr Müttern ermöglichen, berufliche Führungsverantwortung auszuüben.
Hierzu gehört in erster Linie ein Bewusstseinswandel hin zu einer familienfreundlichen Gesellschaft mit berufstätigen Müttern und aktiven Vätern. Es ist höchste Zeit für ein neues Rollenverständnis für Frauen wie für Männer. Es gilt, traditionelle Geschlechterstereotypen aufzubrechen, damit künftig in Deutschland das Potenzial der hoch qualifizierten Frauen besser erschlossen und genutzt werden kann. Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit müssen daher künftig stärker auch auf Männer zielen.
Von großer Bedeutung ist die Betreuung und Förderung der Kinder. Besonders dringlich ist deshalb der flächendeckende Ausbau einer bedarfsgerechten und qualitativ hochwertigen öffentlichen Kinderbetreuung. Zusätzlich sollten Informationen über Qualität und Angebot privater Kinderbetreuung bereitgestellt werden.
Wenn Unternehmen künftig stärker die Potenziale von Frauen erschließen wollen, müssen sie durch vielfältige Maßnahmen eine vereinbarkeitsfreundliche Unternehmenskultur fördern. Hierzu zählt es, das Thema Vereinbarkeit nicht als Problem, sondern vielmehr als Chance zu betrachten. Denn vorübergehende Ausfallzeiten - die auch wegen Krankheit, Weiterbildung oder Auslandseinsatz entstehen - können genutzt werden, um anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zeitweilig Verantwortung zu übertragen und so ihre Potenziale zu erkennen. Gleichzeitig eignen sich Beschäftigte mit Familienpflichten Kompetenzen an, die ihnen auch im beruflichen Kontext sehr hilfreich sind. Vor diesem Hintergrund sollten Familienkarrieren nicht nur akzeptiert, sondern auch geschätzt und gefördert werden, beispielsweise durch glaubhafte Vorbilder im Management.
Durch unterstützende Maßnahmen sollte ein Wandel der Unternehmenskultur dahingehend gefördert werden, dass zunehmend Leistung statt Anwesenheit bewertet wird. Das Management muss sensibilisiert werden, um flexibel auf Veränderungen und neue Anforderungen zu reagieren und individuelle Lösungen zu finden. Von entscheidender Bedeutung ist die Flexibilität von Arbeitszeit und Arbeitsort. Je mehr Flexibilität das Unternehmen bietet, desto mehr Spielraum besteht für allseitig zufrieden stellende Vereinbarkeitsmodelle.
Langfristig muss die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Männer und Frauen in den Unternehmen ebenso wie in der Gesellschaft zur Selbstverständlichkeit werden. In diesem Prozess sind alle gefragt - Männer und Frauen, Mütter und Väter, Unternehmen und Politik.
1 Die
Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft
Berlin e.V. (EAF) setzt sich seit ihrer Gründung 1996 für
die Förderung des weiblichen Führungsnachwuchses und
für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein -
für Männer wie fürFrauen. Sie berät
Organisationen des öffentlichen und privaten Sektors zu den
Themen Chancengleichheit, Diversity-Management und
Work-Life-Balance. Durch Forschung und Beratung, durch innovative
Programme zur Personal- und Organisationsentwicklung sowie durch
politische Initiativen fördert die EAF nachhaltig die
Familienfreundlichkeit in den Unternehmen und in der Gesellschaft.
Zu den aktuellen Projekten der EAF gehört die Vertiefung der
durch die Studie "Karrierek(n)ick Kinder" (Berlin 2006) gewonnenen
Erkenntnisse durch eine weitere Untersuchung über
Doppelkarrierepaare mit Kindern. Die Ergebnisse der Studie werden
voraussichtlich im Frühjahr 2008 vorliegen.
2 Die Bundesregierung (Hrsg.), 2. Bilanz
Chancengleichheit. Frauen in Führungspositionen, Berlin
2006.
3 Vgl. Elke Holst, Frauen in
Führungspositionen - Massiver Nachholbedarf bei großen
Unternehmen und Arbeitgeberverbänden. Wochenbericht 3 des DIW,
Berlin 2005, S. 49 - 56; Wolfgang Mayrhofer/Michael Meyer/Johannes
Steyrer, Macht? Erfolg? Reich? Glücklich? Einflussfaktoren auf
Karrieren, Wien 2005.
4 Waltraud Cornelißen (Hrsg.),
Gender-Datenreport. Kommentierter Datenreport zur Gleichstellung
von Frauen und Männern in der Bundesrepublik Deutschland. Im
Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend. München 2005.
5 Vgl. Organisation for Economic
Co-operation and Development (Hrsg.). Employment Outlook 2002,
Paris 2002.
6 Vgl. Felix Büchel/Katharina
Spieß, Form der Kinderbetreuung und Arbeitsmarktverhalten von
Müttern in West- und Ostdeutschland. Gutachten im Auftrag des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend,
Bonn 2002.
7 Catalyst, The Bottom Line - Connecting
Corporate Performance and Gender Diversity, New York 2004;
Europäische Kommission, Generaldirektion Beschäftigung
und Soziales. Kosten und Nutzen personeller Vielfalt im
Unternehmen. Untersuchung zu den Methoden und Indikatoren für
die Messung der Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen im
Zusammenhang mit der personellen Vielfalt im Unternehmen,
Brüssel 2003; Gertraude Krell, Managing Diversity.
Chancengleichheit als Wettbewerbsfaktor, in: Gertraude Krell
(Hrsg.), Chancengleichheit durch Personalpolitik, Wiesbaden 2004,
S. 41-56.