Das erste offizielle Treffen von Abgeordneten des Bundestages mit Vertretern der Volkskammer der DDR in Ost-Berlin - heute selbst ein historisches Ereignis -fand an einem historisch markanten Datum statt, dem Jahrestag der deutschen Märzrevolution von 1848.
Während der Gespräche zwischen zwölf Mitgliedern der bayerischen SPD-Landesgruppe im Bundestag und fünf Volkskammerabgeordneten wurden allerdings keine Barrikaden eingerannt, wie vor 159 Jahren. Dennoch sind diese ersten offiziellen Gespräche als Zeichen einer fortschreitenden Annäherung zwischen Ost und West zu werten - um so mehr, als eine Woche zuvor in Madrid das Folgetreffen zur Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) wegen verschärfter Ost-West-Spannungen auf den 9. November vertagt wurde.
Die Vertreter beider Seiten gaben dem Wunsch nach intensiveren zwischenstaatlichen Kontakten Ausdruck. Für die Volkskammer erklärte Karl Eberle, es gebe "weder prinzipielle Einwände noch Berührungsängste". Thematisiert wurden die Rüstungsproblematik, die DDR-Staatsbürgerschaft und der Umweltschutz. Als der SPD-Abgeordnete Manfred Schmidt die von DDR-Gebiet ausgehende Luftverschmutzung ansprach, entgegneten die Volkskammerabgeordneten, auch die DDR-Bürger müssten bei Westwind wegen der Verbrennung von Braunkohle "viel schlucken".
In der Bundesrepublik wurde das Treffen kontrovers betrachtet. Als eine "grobe politische Instinktlosigkeit" bezeichnete Peter Lorenz - von 1969 bis 1981 Landesvorsitzender der CDU Berlin - das Ereignis. Damit werde der Anschein einer Gleichstellung von Bundestag und Volkskammer erweckt. "Angesichts des Mangels an demokratischer Legitimation" gebe es "keinen Anlass, offizielle Kontakte zum 'Scheinparlament der DDR' aufzunehmen".