Politische Kunst
Die Galerie "Artneuland" in Berlin sucht den Dialog dreier Kulturen
Seit gut 100 Tagen ist die nichtkommerzielle Galerie "Artneuland" in Berlin-Mitte heimisch. Die Initiatorin Yael Katz Ben Shalom hat ihr Projekt aus Tel Aviv im November letzten Jahres an die Spree exportiert. Das Konzept des Hauses - den Trialog zwischen der deutschen, israelischen und arabischen Welt zu beleben - kam auch beim Berliner Publikum gut an. Christina Rau, die Witwe des ehemaligen Bundespräsidenten, wünschte "diesem Ort der Begegnung und des Austauschs Erfolg und viele Freunde und Unterstützer". Sie stellte "Artneuland" zur Eröffnung ihr Preisgeld von der "Israelstiftung in Deutschland" zur Verfügung.
"Artneuland" Berlin zeigt nicht nur zeitgenössische politische Kunst, sondern will die Besucher miteinander ins Gespräch bringen. Die Idee, die Kulturen mittels der Kunst zusammenzubringen, entstand in Israel in den 1990er-Jahren. Junge Künstler verließen ihre Ateliers, um sich mit dem Konflikt vor ihrer Haustür zu beschäftigen und den Alltag in Israel zu dokumentieren.
Yael Katz Ben Shalom wurde in diesen Jahren eine der bekanntesten Künstlerinnen ihres Landes. Sie will etwas bewegen, gibt sich nicht mit festgefahrenen Positionen zufrieden. "Es geht darum, dass die Parteien darüber reden, wie sie sich selbst sehen und wie sie von der Gegenseite wahrgenommen werden", erklärt sie.
Die aktuelle Berliner Ausstellung "Videoland" präsentiert Alltagssituationen in Israel und Palästina aus dem Blickwinkel Einheimischer und Fremder. Den Rahmen für Gespräche will Katz Ben Shalom durch verschiedene Veranstaltungen schaffen - von wissenschaftlichen Symposien bis hin zu Sprachkursen für Hebräisch und Arabisch: Ein ganz praktischer Schritt hin zu mehr Verständigung.
Im Mutterhaus in Tel Aviv hat sie andere Mittel gefunden. Dort existiert nur ein Büro, von dem aus sie ihre Partner kontaktiert oder um Hilfe gebeten wird. Für ein Hightech-Unternehmen entwickelte die Künstlerin im letzten Jahr den Workshop "Fotostory über die Nachbarschaft". In einem Team arbeiteten die Angestellten der Firma mit den Bewohnern des benachbarten Armenviertels zusammen und lernten dadurch die jeweiligen Lebenswelten kennen. Ein anderes Projekt führte 2004 Künstler aus Deutschland, Israel und Palästina auf eine Expedition in die Wüste Negev; die täglichen Eindrücke wurden in der Gruppe verarbeitet. Wenig später erkundete das gleiche Team Ostdeutschland: Man besichtigte ein zum Abriss bestimmtes Dorf im Lausitzer Kohlerevier, aber auch die "Gläserne Manufaktur" in Dresden. Die Ausstellung "Vermögen der Kunst" präsentierte die Ergebnisse.
Auf dieser Reise beschloss Katz Ben Shalom, eine zweite Niederlassung in Berlin zu gründen. "Berlin hat sich als Standort angeboten, weil es an der Nahtstelle zwischen Ost- und Westdeutschland liegt", sagt sie.
Mit dem Strassmannhaus hat sie außerdem einen Ort gefunden, der eine weitere - die historische - Dimension mit einbringt. Der Gynäkologe Paul Strassmann hatte das Haus 1909 als private Frauenklinik bauen lassen, nachdem man ihm wegen seiner jüdischen Herkunft in der Charité eine leitende Funktion verweigert hatte. Trotz des internationalen Ansehens der Klinik musste Strassmann - von den Nazis schikaniert - diese 1936 zu einem Spottpreis an die Charité verkaufen. Yael Katz Ben Shalom hat nicht bewusst nach einem Ort mit deutsch-jüdischer Geschichte gesucht, findet aber, dass er gut zum Galeriekonzept passt. Zumal "Artneuland" außerdem fast direkter Nachbar der politischen Mitte Berlins ist.