Waldschlösschenbrücke
Das OLG hat entschieden: Der Bürgerentscheid muss umgesetzt werden
Die Politik hat es nach jahrelangem Streit nicht richten können, die Verwaltung nicht, und nun stoßen auch die Richter auf Kritik, die als vorerst letzte Instanz über den Bau der geplanten Elbquerung in Dresden befunden haben. Am 13. März forderte das Sächsische Oberverwaltungsgericht die Stadt Dresden auf, den umstrittenen Bürgerentscheid zu vollziehen und die entsprechenden Bauaufträge zu vergeben. Das heißt konkret: Die Brücke kommt.
Eigentlich hatte man auf eine friedliche Lösung gehofft - doch ein Mediationsverfahren zwischen der Dresdner Stadtverwaltung und der Vertreterin der Unesco bei der deutschen Kultusministerkonferenz war zuvor an verhärteten Fronten gescheitert. 2004 war das Dresdner Elbtal wegen seiner Einmaligkeit im Zusammenspiel von Fluss und Stadt als "sich entwickelnde Kulturlandschaft" in die Liste der Welterbestätten der UNESCO aufgenommen worden. Die Planung für eine Brücke über den breiten Elbbogen am Waldschlösschen war bekannt und bei einem Evaluationsgutachten der Unesco zum Aufnahmeantrag nicht beanstandet worden. Erst als der politische Streit in Dresden durch einen Bürgerentscheid im Februar des Jahres 2005 beendet werden sollte, meldete die Weltkulturbehörde Bedenken an.
68 Prozent der Teilnehmer am Bürgerentscheid hatten für den Bau der Waldschlösschenbrücke votiert; die Beteiligung war größer als bei der letzten Kommunalwahl. Während die Brückengegner verlauten ließen, sich dem Mehrheitsvotum nicht beugen zu wollen, stellte die Unesco fest, dass ihre Toleranz gegenüber dem geplanten Brückenbau auf ungenauen Unterlagen basierte. Größer sei die Brücke und am Stadtzentrum, als im Aufnahmeantrag beschrieben. Unter dem Trommelfeuer der Kritik, vom politischen Gegner und diversen Kultureliten als Provinzpolitiker und Manipulatoren beschimpft, versuchten die Stadtväter daraufhin, die Bedenken der Unesco gegen das Projekt zu zerstreuen. Das ging gründlich schief.
Erstmals hatte die Unesco mit der Anerkennung des 18 Kilometer langen Dresdner Elbtals als Welterbe eine dynamische Region auf ihre Liste der schützenswerten Kulturgüter genommen. Der Streit über die Waldschlösschenbrücke verdeutlicht, dass die Weltorganisation unter einer "sich entwickelnden Kulturlandschaft" etwas anderes versteht als die Stadt Dresden, trotz aller Definitionsbemühungen und Gutachten, die im Vorfeld erstellt wurden. Und auch die harte Haltung der Unesco, die Dresden sogleich den Welterbetitel aberkennen will, wenn die Waldschlösschenbrücke doch gebaut wird, ist einmalig.
Bislang war der Platz auf der "Roten Liste" lediglich ein Hinweis darauf, dass ein Weltkulturerbe bedroht ist und Hilfe benötigt. Dahinter stand unausgesprochen die Aufforderung, wirtschaftlich unterentwickelten Staaten finanziell unter die Arme zu greifen, um ihre Kulturstätten zu retten. Wo nicht fehlende Mittel, sondern planerische Kurzsichtigkeit und ästhetische Unempfindlichkeit im Spiel waren - wie im Falle des Kölner Doms oder der Potsdamer Kulturlandschaft - , konnte die Unesco letztlich angesichts eines zu befürchtenden Imageschadens auf Einsicht hoffen. In Köln und Potsdam rückte man schließlich von den kritisierten Bauplanungen ab.
Doch Dresden ist anders. Vor Selbstbewusstsein strotzend, als Speerspitze von "Silicon-Saxony" und kulturhistorisches Schmuckstück gleichermaßen bewundert, will man von der einst hart erkämpften Souveränität nichts hergeben. Der vierte Senat des Bautzner Oberverwaltungsgerichtes hat diesem Empfinden Rechnung getragen, als er die Wertigkeit eines Bürgerentscheids über die Bindungswirkung der seiner Meinung nach nicht hinreichend in nationalem Recht verankerten Welterbekonvention stellte.
Für Dresden ist es ein Novum, im Fokus von Auseinandersetzungen über Fragen internationaler Rechtsbeziehungen zu stehen. Dass die Waldschlösschenbrücke keine alleinige Dresdner Angelegenheit ist, seit sich die Stadt mit dem Welterbetitel schmückt, leuchtet hier vielen nicht ein. Internationales Ansehen genießt Dresden in Hülle und Fülle, da will man einfach nicht glauben, dass sich daran etwas ändert, wenn das Dresdner Elbtal nicht mehr Weltkulturerbe sein sollte.
Die von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) geäußerte Befürchtung, die Causa Dresden könne die Vertragstreue der gesamten Bundesrepublik in Misskredit bringen und die Unesco dazu verleiten, weitere deutsche Bewerber um den begehrten Titel abzulehnen, stößt hier eher auf taube Ohren. Nach langem Schweigen, weil er den Brückenstreit für eine lokale Angelegenheit hielt, hat sich auch Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) zu Wort gemeldet. Der Verlust des Welterbetitels sei für Dresden verkraftbar. "Hätte man sich dem Druck der Weltorganisation zu Lasten des Dresdner Bürgerentscheids gebeugt, wäre das ein massiver Eingriff in die deutsche Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit gewesen", meinte er. "Für Deutschland und seine Kulturlandschaft ist diese engstirnige Haltung ein Desaster", kommentierte Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) diese Einlassung des sächsischen Ministerpräsidenten. Der Bundestag hat keine Mehrheit gegen den Brückenbau zustande bekommen. Die Bundesregierung hat laut Kulturstaatsminister Bernd Neumann keine rechtliche Möglichkeit, in das laufende Verfahren einzugreifen. Juristen beschäftigen sich mit der Frage, ob die bislang wie Gewohnheitsrecht gehandhabte Welterbekonvention in nationales Recht umgesetzt werden muss.
Derweil wird in den nächsten Wochen Baubeginn sein, selbst wenn weitere Richter - diesmal beim Landes- und beim Bundesverfassungsgericht - sich der Sache annehmen sollten. Die Brückengegner verlegen sich nun auf Appelle an die maßgeblichen Repräsentanten der Bundesrepublik, sich für den Erhalt des Welterbetitels einzusetzen. Bundespräsident Horst Köhler, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundestagspräsident Norbert Lammert und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier haben entsprechende Post vom Dresdner Kuratorium für das Unesco-Welterbe erhalten. Astrid Pawassar