REGIONALFLUGHÄFEN
Mit Steuergeldern wurden sie finanziert. Jetzt gibt es zu viele.
Zuweilen findet sich doch noch ein verstecktes Sümmchen. Das mit über 9 Milliarden Euro verschuldete Saarland klagt derzeit in Karlsruhe wegen "extremer Haushaltsnotlage" auf zusätzliche Bundeshilfen. Nun aber kündigen CDU-Regierungschef Peter Müller und Wirtschaftsminister Hanspeter Georgi die 50 Millionen Euro teure Verlängerung der Zwei-Kilometer-Landebahn des Saarbrücker Flughafens an, um Fernreisen von Ensheim aus zu ermöglichen. Mit dieser Investition will man der mit einer Drei-Kilometer-Piste ausgestatteten Konkurrenz im knapp 40 Kilometer entfernten Zweibrücker Airport Paroli bieten.
Ensheim verfügt über eine komplette Infrastruktur, die in der Pfalz erst hochgezogen werden muss. In Zweibrücken träumt man bereits von Hotels und Eventspektakeln beim Airport. Der Optimismus wird genährt durch den Gästezuwachs: Von 18.000 im Jahr 2005 steigerte man sich 2006 auf 65.000, dieses Jahr könnten es 250.000 werden. Seit September offeriert Germanwings zu Lasten der Saarbrücker Billigtrips nach Berlin. Zudem wandert jetzt im Frühjahr ein TUI-Ferienflieger von Ensheim in die Pfalz ab. Beim Saar-Flughafen brechen derweil die Passagierzahlen ein: Von 490.000 im Jahr 2005 über 420.000 vergangenes Jahr auf vermutlich 350.000 dieses Jahr. Wegen fehlender Gewinnperspektiven steigt Fraport als bisheriger 51-Prozent-Mehrheitseigner aus, Müllers Regierung muss den Airport künftig allein tragen.
Nun belebt Konkurrenz das Geschäft, wo-rüber sich wegen günstiger Tarife Reisende freuen können. Allerdings findet dieses Kräftemessen auf dem Rücken der Steuerzahler statt. Angesichts von Verdrängungswettbewerb und Subventionswettlauf meint Georgi, es werde "zwangsläufig zu Kannibalisierungseffekten kommen". Aus dem Saar-Etat flossen in einem Jahrzehnt schon 40 Millionen Euro nach Ensheim. Seit einiger Zeit steckt das CDU-Kabinett jährlich 3 Millionen Euro in den Flughafen, die 2007 auf 8 Millionen aufgestockt werden - auch um über niedrigere Abfertigungsgebühren Fluglinien zu umgarnen. Der ehemalige US-Militärairport Zweibrücken wurde seit 1991 mit über 30 Millionen Euro aus Mainzer Landesmitteln und EU-Töpfen bedacht, um die Infrastruktur zu entwickeln und Defizite der Betriebsgesellschaft auszugleichen.
Der Clinch zwischen Saarbrücken und Zweibrücken ist nicht das einzige Beispiel für ruinöse Exis-tenz- und Konkurrenzkämpfe bei Regionalflughäfen. Bundesweit existieren inzwischen 41 solcher Airports, wobei Saarbrü-cken und auch Erfurt trotz bescheidener Passagierzahlen bei den 19 internationalen Flughäfen eingruppiert sind. Eine Studie der Deutschen Bank Research, wonach von den regionalen Airports nur fünf annähernd kostendeckend arbeiten, hat die Kritik an deren öffentlicher Subventionierung untermauert. Der Erfurter Verkehrswissenschaftler Bernd Kortschak: "Regional unausgelas-tete Flughäfen, die sich gegenseitig Passagiere abjagen, agieren nicht anders als Blutegel, die sich gegenseitig aussaugen." Nun steckt hinter dem Investitionseifer das hehre Motiv, über Airports die Wirtschaft vor Ort anzukurbeln und Arbeitsplätze zu schaffen. Auch Prestigedenken dürfte mit im Spiel sein: Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) outet Regionalflughäfen als "Spielplatz für Landesfürsten".
Als Vorbild dient Ministerpräsidenten und Rathauschefs das "Wunder von Hahn": Bei dem Hunsrück-Airport mit 3,7 Millionen Passagieren im Jahr, Drehkreuz des Billiganbieters Ryanair, entstanden mit Hilfe öffentlicher Gelder 8.000 Arbeitsplätze. Aber selbst auf dem Hahn dauerte es ein Jahrzehnt, bis 2006 erstmals schwarze Zahlen geschrieben wurden. Der Mainzer SPD-Wirtschaftsminister Hendrik Hering will nach diesem Muster auch den Zweibrückerr Flughafen als Jobmotor auf Touren bringen. Im Gegenzug verteidigen Müller und Georgi die 1.000 Arbeitsplätze in Ensheim. Welcher der beiden Airports auf der Strecke bleiben wird oder ob beide in Subventionsgräbern ihr Leben aushauchen, darf als offen gelten. Der VCD meint nüchtern: "Das Wunder von Hahn ist ein Einzelereignis." Republikweit sind in der Tat eher "Kannibalisierungseffekte" zu beobachten, wie die Expertise der Deutschen Bank kons-tatiert - und anders als bei Boom-Flughäfen wie Frankfurt, München oder Düsseldorf sind eben häufig finanzielle Löcher zu stopfen. Beispiele gibt es zuhauf.
So soll für über 100 Millionen Euro aus öffentlichen Mitteln Kassel-Calden ausgebaut werden, obwohl von der Stadt aus beste Zugverbindungen zu Airports in Hannover, Paderborn, Dortmund, Frankfurt oder Erfurt existieren. Für Millionenverluste in Dortmund müssen Steuerzahler sowie Strom- und Gaskunden in die Tasche greifen: Am Flughafen sind zu 74 Prozent die Stadtwerke und zu 26 Prozent die Kommune beteiligt. Ein Minus von rund einer Million Euro jährlich hat Hof-Plauen zu verkraften: Nun sollen Investitionen, die auch mit Millionenzuschüssen aus dem bayerischen Haushalt finanziert werden, dem kleinen Airport Flügel verleihen.
Auf Konfrontationskurs gehen die benachbarten Flughäfen in Friedrichshafen am Bodensee und in Memmingen im bayerischen Allgäu, und dies bei einem regional begrenzten Passagierreservoir. An die 20 Millionen Euro sollen den ehemaligen Memminger Militärairport aufmöbeln, Brüssel genehmigte jetzt Subventionen des Landes Bayern von 7,5 Millionen Euro. Expandieren will aber auch Friedrichshafen, das Geld kommt vor allem vom Flughafen Wien, der neuerdings größter Anteilseigner neben regionalen Gebietskörperschaften und dem Land Baden-Württemberg ist. Unweit entfernt liebäugelt zudem der profitable Airport Stuttgart mit einer zweiten Landebahn.
Ein Sinnbild für fragwürdigen Wettbewerb ist auch der Oberrhein, dessen Flughäfen keineswegs ausgelastet sind. Im nordbadischen Söllingen starten und landen jährlich über 800.000 Personen. Nebenan registriert Straßburg zwei Millionen Reisende, davon 200.000 Deutsche. Der schweizerisch-französische Airport Basel-Mülhausen verbucht vier Millionen Gäste, ein Drittel kommt aus Südbaden. Gleichwohl setzte die Stadt Lahr gegen erbitterten Widerstand der Söllinger Konkurrenz mit massivem Lobbying bei der Stuttgarter Regierung durch, dass von Juni an eine australische Gesellschaft über den früheren kanadischen Militär-Airport jedes Jahr Hunderttausende von Touristen speziell zum Europapark Rust befördern darf, einem gigantischen Freizeitpark.
Der Kern des Problems: Es fehlt eine bundesweite Flughafenplanung. Auf der Hand liegt etwa eine Zusammenarbeit zwischen Saarbrücken und Zweibrücken, wofür auch ein Gutachten plädiert: Ensheim deckt mit seiner Zwei-Kilometer-Piste den Verkehr für Strecken bis zu vier Stunden Dauer ab, die Pfälzer konzentrieren sich mit ihrer Drei-Kilometer-Landebahn auf Fernflüge. Es kursierten bereits Planspiele zu einem Saar-Pfalz-Flughafen mit zwei Standorten. Doch Kooperationsgespräche zwischen Hering und Georgi sind gescheitert, Kirchturmdenken obsiegt. Nun greifen beide Regierungen noch tiefer in ihre Steuertöpfe. Karl-Otto Sattler z