"Was die Fahrer des Bundestages hören, bleibt im Wagen." Das ist die eiserne Devise des Fahrdienstes des Deutschen Bundestages, und auch für Ralf Schaeffer ist das eines der obersten Gebote. "Wir bekommen einfach zu viel mit", sagt der ruhige Niedersachse, während er mit sicherer Hand den schwarzen BMW Turbo Diesel - "auch privat mein Favorit" - durch den dichten Verkehr der Hauptstadt lenkt. Er ist einer von 32 Kraftfahrern des Deutschen Bundestages, die Bundestagsabgeordnete vorwiegend auf weiteren Strecken chauffieren - theoretisch an jeden Ort Europas. Die kürzeren Fahrten innerhalb Berlins hat der Deutsche Bundestag seit langem an ein privates Unternehmen abgetreten.
Doch weil Schaeffer und seine Kollegen die Abgeordneten nicht nur zu Arbeitssitzungen und Empfängen fahren, lernen sie die Politiker auf ein- oder mehrtägigen Dienstreisen besser kennen als so mancher Parteikollege. Die Fahrer verstehen sich als Taxiunternehmen de luxe. Dazu gehören für den 44-Jährigen nicht nur Selbstverständlichkeiten wie ein gepflegter Anzug, eine geputzte Limousine oder das Einladen des Gepäcks. Gute Fahrer wie Schaeffer erkennen, wann es eines Quäntchens mehr bedarf als es die Dienstrichtlinien vorschreiben. Einmal, so erzählt er, hatte eine Abgeordnete ihr einjähriges Kind mit auf einen Parteitag genommen. Doch das Chaos bahnte sich schon während der Fahrt im Wagen an. Termine wurden verschoben, Themen neu gesetzt, Tagesordnungspunkte fallen gelassen. Das Handy klingelte unaufhörlich. Die Wortwechsel wurden lauter - und das Baby fing an zu weinen. Irgendwann kam die Mutter mit dem Spagat zwischen Wiegenlied und Telefonirrsinn nicht mehr zurande. Schaeffer, selbst Vater zweier Jungs, ließ sich nach Ankunft am Parteitagsort nicht lange bitten. Kurzerhand legte er das Kind in die Karre und schob es um den Block.
Es gibt aber auch bedrückende Momente, vor allem nach politischen Niederlagen der Fahrgäste. "Da sitzt dann schon mal jemand völlig deprimiert im Fond, enttäuscht und fertig mit der Welt. Der muss sich dann einfach richtig aussprechen", sagt Schaeffer und legt eine der ruhigen CD's von Café del Mar ein. Man kann sich vorstellen, dass er gut zuhören kann.
In hektischen Sitzungswochen gehen in der Einsatzzentrale des Fahrdienstes täglich hunderte Anrufe ein. Einer der diensthabenden Einsatzleiter, insgesamt gibt es drei, disponiert die Dienstwagen. Jeder Fahrer hat "sein" Dienstfahrzeug und fährt es ein Jahr lang. Die Neuwagen, Mercedes E-Klasse, 5er-BMW oder Audi A6, werden vom Bundestag geleast und dann nach einem Jahr zurückgegeben. "Das ist kostengünstiger, als Limousinen zu kaufen und sie bis zum Auseinanderfallen zu fahren", erklärt Schaeffer. Er weiß wovon er spricht. Schaeffer ist gelernter KfZ-Mechaniker. Neben seinem privaten BMW hat er in seiner Garage ein schweres Motorrad stehen, eine Honda, für schöne Sommertage. "Fahren ist das Gefühl von Freiheit. Besonders, wenn ich den Wind im Gesicht spüre."
Schaeffer hat sich mit seinem Job einen Jungentraum erfüllt. "Mein Vater wollte mich in die Verwaltung stecken. Ich wollte aber immer was basteln", erinnert er sich. Geerbt hat er das von der Mutter. Sie war Verkäuferin für Nähmaschinen, die sie auf Messen unter die Leute bringen musste. Ihren zwölfjährigen Sohn setzte sie zur Illustration an die Maschine und Schaeffer nähte den Messeeinkäufern das damals Innovativste vom Innovativen vor: Knopflöcher. Das Publikum war begeistert, der Umsatz der Mutter stieg, der Sohn war glücklich: "Noch heute kann ich einen Reißverschluss in eine Jeans einnähen."
Was Schaeffer damals an den Neuerungen bei Nähmaschinen interessiert hat, fasziniert ihn bis heute. Durch seinen Job sieht er bisweilen die modernste Technik. Er war bei Airbus ("Da kommt sonst nie jemand hin"), auf einem Schnellboot der Bundeswehr ("Eine Wahnsinns-Geschwindigkeit") oder in einer Hightechdruckerei ("Enorme Präzision"). "Das ist schon Klasse", sagt er, gibt Gas und chauffiert die Limousine samtig dem nächsten Ziel entgegen.