FEINDLICHE ÜBERNAHME
Thomas Knipp erzählt den Wirtschaftskrimi der Jahrtausendwende
Schon der Titel bereitet Probleme: der Deal. Der Autor unternimmt auf 244 Seiten alles, um diesen Titel zu widerlegen. Er spricht von einer Schlacht, einer globalen Schachpartie, einer feindlichen Übernahme, von Angreifern und Verteidigern, Siegern und Besiegten. So sieht kein Deal aus, wenn man darunter ein einvernehmliches Geschäft zum beiderseitigen Vorteil versteht.
Die Rede ist von der Übernahme des deutschen Traditionsunternehmens Mannesmann durch den britischen Mobilfunk-Emporkömmling Vodafone. Das war im Februar 2000, liegt also über sieben Jahre zurück. Etwas spät für eine akribische Beschreibung, wie es zu diesem spektakulären Vorgang gekommen ist.
Offenbar weiß dies auch der Autor Thomas Knipp, damals stellvertretender Chefredakteur des "Handelsblatts", das am Firmensitz der damaligen Mannesmann AG in Düsseldorf erscheint. Entsprechend marktschreierisch kommt auch der Untertitel daher: Die Geschichte der größten Übernahme aller Zeiten. Auch der künftigen?
Wenn die Details eines Ereignisses, das damals zwar hohe Wellen schlug, heute aber bereits Wirtschaftsgeschichte ist, Leser noch fesseln sollen, braucht es einige dramaturgische Kunstgriffe. Knipp dramatisiert und personalisiert auf Teufel komm raus, was das Lesevergnügen nicht unbedingt steigert. Gerade auf den ersten Seiten überschlagen sich die Superlative: der teuerste Deal aller Zeiten, der Deal des Jahrhunderts, der größte Deal der Industriegeschichte.
Der Verlag preist das Buch als "Wirtschaftskrimi" an, was durchaus berechtigt ist. Knipp inszeniert die Übernahmeschlacht als High-Noon-Story. Dabei hebt er aber weniger auf ein Duell der beiden damaligen Vorstandsvorsitzenden, Klaus Esser bei Mannesmann und Chris Gent bei Vodafone, ab, sondern auf die Kreativität der jeweiligen Beraterteams um die beiden Chefs. Vodafone, das sind die Angreifer, Mannesmann die Verteidiger.
Das Buch reiht sich ein in eine Reihe neuerer Veröffentlichungen profilierter Wirtschaftsjournalisten, die nebulöse Begriffe wie Globalisierung und "internationale Finanzmärkte" in einer romanhaften Erzählweise konkret werden lassen.
Daher keine falsche Scheu vor Wirtschaftsthemen: "Der Deal" eignet sich keineswegs nur für "Handelsblatt"- und "Financial-Times"-Leser. Die werden vielleicht von manchen Informationen des Autors eher abgeschreckt: welche Hemden Christ Gent mit Vorliebe trägt, welche Musik Klaus Esser gerne hört, was bei entscheidenden Geschäftsessen auf den Tisch kam.
Knipp rückt das Menschliche, das Denken und Handeln der Beteiligten in den Vordergrund. Die wirtschaftlichen Fakten werden eher beiläufig eingestreut. Damit spricht "Der Deal" vor allem jene Leser an, die sich zwar für das Thema interessieren, zugleich aber glauben, der komplizierten Materie nicht gewachsen zu sein. Die beinahe volkstümliche Darstellung der Vorgänge zwischen den beiden Unternehmen mildert aus der Sicht des Lesers den Makel, dass das Buch eigentlich zu spät kommt.
Und wo steht der Autor? Vodafone-Chef Chris Gent ist keineswegs der "bad guy" im Stück, hier wahrt Knipp durchaus die gebotene Objektivität. Auf der anderen Seite wird man den Verdacht nicht los, dass Knipp das Buch geschrieben hat, das Klaus Esser gern geschrieben hätte. Die Argumentation Essers gegen die Übernahme wird ausführlich, und zwar mit einer Neigung zur Rechtfertigung, dargestellt.
Besonders deutlich wird dies im Zusammenhang mit dem Untreue-Verfahren vor der Wirtschaftsstrafkammer Düsseldorf gegen Esser und andere Manager wegen der Annahme von Prämienzahlungen. Hier bezieht Knipp klar Position: für Esser, für die Manager, für die international üblichen Zahlungen. Gegen inkompetente Richter, gegen kleinbürgerlichen Neid, gegen Moralvorstellungen, die den Shareholder Value verteufeln.
Der Deal. Die Geschichte der größten Übernahme aller Zeiten.
Murmann Verlag,
Hamburg 2007; 244 S. 22,50 ¤