Dresden
Das Militärhistorische Museum wird saniert und umgekrempelt. Ab 2010 sollen die Besucher dort erfahren, was Krieg bedeutet.
Stauffenbergstraße, Ecke Olbrichtplatz: Hier, im Norden Dresdens, steht das Leitmuseum der Bundeswehr. Mit allem, was dazu gehört: Panzern und Zinnsoldaten, Uniformen, Vergeltungswaffen und dem ersten deutschen, durch Menschenkraft betriebenen U-Boot, dem Brandtaucher von 1850. Doch das Museum entspricht nicht mehr heutigen Standards, weder ausstellungsdidaktisch noch architektonisch. Deshalb investiert die Bundeswehr knapp 44 Millionen Euro in den Umbau und die Sanierung des denkmalgeschützten Gebäudes.
Den militärisch strengen Altbaukörper hat der US-amerikanische Museumsspezialist Daniel Libeskind neu gestaltet. Für den 61-jährigen in New York lebenden Architekten ist das Gebäude "ein bedeutendes militärisches Symbol. Es diente im 19. Jahrhundert als Arsenal und Militärmuseum. Sogar unter den Nationalsozialisten und Kommunisten in Ostdeutschland wurde es als Museum genutzt", erzählt Libeskind und erklärt seinen eigenen Entwurf: "Als der Wettbewerb für den Umbau des Museums ausgeschrieben wurde, erwartete jeder, dass man auf der Rückseite des Arsenals bauen würde. Aber ich dachte: ‚Warum sollte man das Militärgebäude verstecken? Deutschland ist ein modernes demokratisches Land. Die Deutschen müssen ihre Geschichte annehmen und das Militärgeschichtliche Museum als etwas Positives verstehen!' Deshalb habe ich mich entschieden, vorne durch die Front des Arsenals ein gläsernes, keilförmiges V zu treiben. Das ist wichtig für Dresden." Das Militärhistorische Museum wurde Ende des 19. Jahrhunderts im Mittelpunkt der Dresdener Albertstadt errichtet. Nach der Wiedervereinigung übernahm die Bundeswehr das Museum und beauftragte Libeskind mit der Neugestaltung. Wohl nicht zufällig, denn 2002 hatte er in Manchester sein erstes, international viel beachtetes Kriegsmuseum eröffnet: das Imperial War Museum North.
In Dresden will Libeskind auf die Brüchigkeit der Welt anspielen: Ein keilförmiger, asymmetrischer Neubau mit geschossübergreifenden Innenräumen durchdringt den massiven Altbau. Die transparente Fassade
aus Metalllamellen überlagert das Arsenal und lässt den Bruch militärischer Ordnung ahnen. Gleichzeitig weist der V-förmige Neubau in die Dresdner Innenstadt. Dorthin, wo alliierte Bomber gegen Ende des Zweiten Weltkrieges ihr Zerstörungswerk angerichtet hatten. "Kühn" nannte der ehemalige Verteidigungsminister Peter Struck den Entwurf, der sich in den Altbau bohrt, ihn bis zu sieben Meter überragt und am höchsten Punkt den Blick öffnet auf die berühmte Frauenkirche, den Zwinger und die Semperoper.
"Die Botschaft, die der Besucher hier mitnehmen soll, ist erstens: Kriege gilt es zu verhindern. Und zweitens: Man braucht dazu in dieser Welt auch Militär", erläutert der ehemalige Museumsleiter OberstleutnantFranz-Josef Heuser: "Es kommt uns vor allem darauf an, die Wechselwirkungen zwischen Militär und anderen gesellschaftlichen Bereichen zu vermitteln." Auch Heusers Nachfolger Oberstleutnant Ferdinand Freiher von Richthofen will im Bundeswehrmuseum kein verordnetes Geschichtsbild ausgestellt wissen, sondern eine multiperspektivische Schau auf die Geschichte.
Kritikern galt das Militärhistorische Museum bis dato als eine schnöde Militaria-Sammlung: hochglanzpoliert und wohlsortiert, aber ein Museum ohne Aussage. Deshalb wolle man weg von der verklärenden Devotionalienschau und hin zu einem neuen Ausstellungskonzept, erklärt Gorch Pieken, wissenschaftlicher Projektleiter für die Neugestaltung der Ausstellung. Dabei werde man zum Beispiel der Frage nachgehen, wieviel Militaristisches im Alltag existiere: im Sprachgebrauch, in der Mode und in der Wissenschaft: "Wir sind der Architektur Libeskinds sehr dankbar, denn der Keil steht ja auch für Wandel. Wir wollen nämlich auf der einen Seite des Museums die Ausstellungsfläche nutzen, um die Bundeswehr in der Landesverteidigung darzustellen, also der alte klassische Auftrag, der große Vaterländische Krieg. Und auf der anderen Seite zeigen wir den Paradigmenwechsel: die Bundeswehr in Friedensmissionen."
Auch inhaltlich müsse man das alte Museum umkrempeln, betont Pieken: "In den anthropologischen Grundfragen der Ausstellung wollen wir zeigen, was der Mensch im Allgemeinen ist - mit seinen Trieben, seiner Vernunft, seinen Hoffnungen, seinen Erinnerungen, aber auch mit seiner Aggressionsbereitschaft. Wir untersuchen nicht nur die staatlichen Formen von Gewaltpraxis, sondern auch gesellschaftliche Formen der Gewaltanwendung und versuchen, einen Baustein zu einer Kulturgeschichte der Gewalt zu legen."
Natürlich werde es weiterhin deutsche Militärgeschichte seit 1350 zu sehen geben. Und auch in Zukunft soll auf Freiflächen das sperrige Handwerkszeug des Krieges geparkt werden. Aber man wolle keine Überwältigungsästhetik, kein Eventmuseum, so Pieken. Libeskind ergänzt: "Dies ist ein Museum, in dem man lernt, warum Kriege so wichtig sind. Krieg ist nicht etwas, was nur Soldaten betrifft. Krieg ist Teil unserer Kultur, unserer Zivilisation. Konflikte kann man nicht von der Gesellschaft trennen. Wir müssen aus ihnen lernen."
Das Leitmuseum der Bundeswehr nicht zur Heldengedenkstätte verkommen, die mit nationalem Pathos errungene Siege zelebriere. Wessen aber soll gedacht werden: der Kriege des 20. Jahrhunderts, der Millionen von Toten? Der Krieg als düstere Tragödie, als patriotische Heilsgeschichte im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr? Die Rohbauarbeiten sind bis zum ersten Obergeschoss fortgeschritten. Im März nächsten Jahres ist das Richtfest geplant. Aber bis 2010 muß die Öffentlichkeit noch auf Antworten warten. Dann soll die neue Ausstellung eröffnet werden.