BERUFSAUSBILDUNG
Es gibt immer noch zu wenig Lehrstellen. Schafft staatliches Geld Abhilfe?
Auch in diesem Jahr werden wieder tausende Schulabgänger Lehrstellen suchen und viele von ihnen werden keine finden. Weniger als ein Viertel der Betriebe, die ausbilden könnten, tun dies auch. Vor drei Jahren wollte die rot-grüne Bundesregierung zur Abhilfe eine Ausbildungsplatzabgabe einführen. Unternehmen, die nicht genügend ausbilden, sollten zahlen. Das Geld sollte an die Betriebe gehen, die Lehrstellen anbieten. Das Vorhaben wurde nur deswegen ausgesetzt, weil sich die Wirtschaft in einem Ausbildungspakt dazu verpflichtete, Lehrstellen zu schaffen. Am 21. Juni erhielt die Diskussion darum, wie Unternehmen zur Ausbildung motiviert werden können, neue Nahrung: Die Koalition schlug in einem Antrag ( 16/5730 ) vor, Firmen, die überdurchschnittlich viele Lehrlinge anstellen, vom Arbeitgeberanteil zur Arbeitslosenversicherung zu befreien. In einem Gesetzentwurf ( 16/2540 ) forderte Die Linke eine Ausbildungsplatzabgabe.
"Diejenigen, die überdurchschnittlich ausbilden, sollen davon einen Vorteil haben", begründete Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) den Antrag. Auf Details wollte er nicht eingehen. Auch im Antrag ist lediglich davon die Rede, dass die Bundesregierung diesen Vorschlag neben anderen auf Umsetzbarkeit prüfen soll. Wie der Durchschnitt errechnet werden soll und die wegfallenden Arbeitgeberzuschüsse finanziert werden können, wird nicht erwähnt.
Die Opposition kritisierte den Vorschlag massiv. "Das einzig Bemerkenswerte ist, mit so einer substanzlosen Meldung an die Öffentlichkeit zu gehen", so der bildungspolitische Sprecher der FDP, Patrick Meinhardt. Mit dem Gesetzentwurf der Linken ging er ebenso hart ins Gericht. Angesichts der knapp fünf Prozent zusätzlichen Lehrstellen im vergangenen Jahr fehle ihm für eine Ausbildungsplatzabgabe "jedes Verständnis", so Meinhardt.
Linken-Fraktionschef Gregor Gysi teilte die Kritik an der Koalition. Seit er 1990 das erste Mal im Bundestag gesessen habe, erlebe er jedes Jahr das Gleiche: Die Regierungen "buckeln vor der Wirtschaft". Er begreife nicht, warum ein Ausbildungsplatz für jeden Schulabgänger nicht möglich sei. In der DDR sei jeder Jugendliche ausgebildet worden. "Wenn die arme DDR das konnte, sollte die reiche BRD das auch schaffen." Den Vorschlag seiner Fraktion, dass Betriebe, die nicht ausbilden, eine Umlage bezahlen müssen, hielt er für gerecht.
Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) hatte zuvor eine nationale Qualifizierungsinitiative "Jugend, Ausbildung und Arbeit" angekündigt. Sie betreffe Maßnahmen des Bundes, der Länder und der Sozialpartner. Das so genannte Einstiegsqualifizierungsjahr (EQJ) werde weiter entwickelt. Diese berufsvorbereitenden Praktika von sechs bis zwölf Monaten für Schulabgänger, die keine Lehrstelle finden, sollten so ausgestaltet werden, dass sie auf eine spätere Ausbildung angerechnet werden könnten. Außerdem sollten spezialisierte Ausbildungen in Berufsgruppen zusammengefasst werden. Die Azubis würden eine gemeinsame Grundausbildung erhalten und sich erst später spezialisieren.
1,3 Millionen Schulabgänger bis 29 Jahre hätten keine abgeschlossene Berufsausbildung. "Jeder Jugendliche braucht einen Abschluss", so Schavan. Die Bundesregierung schätzt in ihrem Berufsbildungsbericht ( 16/5225 ), dass es dieses Jahr 26.000 mehr Ausbildungsplätze als 2006 geben wird. Auch im vergangenen Jahr hatte es - nach Abzug der durch Pleiten oder Betriebsaufgaben weggefallenen Stellen - diese Zahl an zusätzlichen Plätzen gegeben. Trotz dieser Zahl und zusätzlicher Mittel des Bundes hatten 17.400 junge Menschen im Januar dieses Jahres keine Anstellung in Betrieben oder Übergangsmaßnahmen gefunden. Ein großes Problem sind die so genannten Altbewerber. Knapp 386.000 junge Menschen, die mindestens ein Jahr einen Ausbildungsplatz suchen, meldeten sich 2006 erneut bei der Bundesagentur für Arbeit.
Priska Hinz (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte das EQJ als ineffektiv. Nur die Hälfte der Teilnehmer besuche eine Berufsschule. Der Antrag der Koalition gehe nicht weit genug. Eine Strukturreform sei nötig. Auch der Ausbildungspakt könne nicht alle Probleme lösen. Die darin versprochenen 60.000 zusätzlichen Lehrstellen seien zudem kein ehrgeiziges Ziel, sondern schrieben nur fest, was die Unternehmen im vergangenen Jahr schon erreicht hätten.
Die Lage wird sich in den nächsten Jahren nicht entspannen. Nach der Prognose des Bildungsberichtes wird die Zahl der Schulabgänger zumindest im Westen Deutschlands konstant hoch bleiben. Das gilt vor allem für die Jahre 2011 und 2013, wenn aufgrund der Einführung des achtjährigen Gymnasiums zwei Jahrgänge gleichzeitig Abitur machen werden.