RFID
Die Funktechnik wird in absehbarer Zukunft den 30 Jahre alten Strichcode auf Einkaufswaren ablösen
An den Strichcode auf nahezu allen Einkaufswaren haben sich die Verbraucher seit langem gewöhnt. Dieser Tage ist diese Registriermethode 30 Jahre alt geworden. Noch einmal so lange geben Experten dem Barcode aber nicht. Mit der Funktechnik RFID wächst ihm eine Konkurrenz heran, der er über kurz oder lang nicht standhalten kann. Damit sich die "Radio Frequenz Identifikation" (RFID) als Segen und nicht als Fluch entpuppt, muss die Politik den richtigen Ordnungsrahmen setzen.
Wie der Barcode identifiziert RFID die Objekte über eine Ziffernfolge. Diese wird allerdings nicht durch Sichtkontakt beim Scannen wie beim Barcode, sondern berührungslos über Funkwellen vermittelt. Dazu wird jedes Objekt mit einem elektronischen Etikett versehen. Dieser so genannte Tag ist mit einem Computerchip und einer Mini-Antenne ausgestattet. Der Chip sendet Daten an eine Datenbank. RFID ist nicht nur weniger störanfällig als der Barcode. Sein größter Vorteil liegt darin, große Datenmengen und damit viele Informationen übermitteln und speichern zu können. Damit lassen sich Prozesse effizienter und effektiver gestalten. Für den Kunden im Supermarkt der Zukunft bedeutet das beispielsweise, dass sein voller Einkaufswagen an der Kasse im Nu erfasst wird und er weder seine Waren aufs Band legen noch Warteschlangen akzeptieren muss. Überdies kann er sich die im "Tag" erfassten Informationen anzeigen lassen und überprüfen, ob die Tiefkühlpizza bei konstanter Temperatur transportiert wurde.
Die Einsatzbereiche für RFID sind fast unüberschaubar. Einzug gehalten hat die Funktechnik schon in der Logistik, bei der es naturgemäß ganz wichtig zu wissen ist, wo sich welches Objekt befindet. Aber auch in der Abfallentsorgung, beim Gepäckmanagement auf Flughäfen, in der Autoindustrie und im Handel wird die neue Technik ausprobiert. Bei der Tagung "RFID- Auf dem Weg zum Internet der Dinge" zum Ende der deutschen EU-Ratspräsidentschaft nannte Wirtschaftsstaatssekretär Bernd Pfaffenbach RFID eine der wichtigsten technischen Herausforderungen der nächsten Jahre mit enormen Perspektiven für Wachstum und Beschäftigung. In Zahlen: Im Jahr 2010 dürfte der von RFID beeinflusste Anteil an der Bruttowertschöpfung bei 62 Milliarden Euro liegen, verglichen mit 3 Milliarden Euro 2004, heißt es in einer gemeinsamen Studie des Vereins deutscher Ingenieure und des Verbands der Elektrotechnik (VDE). Damit Wirtschaft und Gesellschaft die Potenziale von RFID tatsächlich nutzen können, brauchen sie die klare Hilfestellung der Politik etwa bei der Festlegung technischer Standards. Dringend nötig ist etwa die weltweite Harmonisierung der Frequenzen für die verschiedenen RFID-Systeme. Noch sind es vor allem die großen, finanzstarken Konzerne wie der Logistiker DHL oder der Handelskonzern Metro, die mit RFID experimentieren. Dem Mittelstand, der vor allem die hohen Entwicklungskosten scheut, müsste die Wirtschaftspolitik unter die Arme greifen, folgern die Autoren der Studie. Der Handelsriese Metro ist schon über das Versuchsstadium hinaus. Noch in diesem Jahr will er alle Cash & Carry-Großmärkte und mehr als 100 Real-Warenhäuser im Wareneingang auf RFID umstellen. Voraussetzung für die Ausweitung der schon seit 2004 punktuell ausprobierten neuen Technik war die Einführung eines neuen, leistungsfähigeren Chip-Standards, sagt Christian Maas aus der Unternehmenskommunikation der Metro. Der Einsatz von RFID bleibt dabei auf die Etikettierung von Paletten und Kartons beschränkt. 40 Lieferanten, darunter große wie Procter & Gamble, zögen schon mit. Im Laufe der Zeit will die Metro alle Lieferanten - das sind mehrere Tausend - zum Umsteigen auf RFID drängen. Wer nicht mitmacht, verursacht Kosten, die aus Sicht der Metro der widerspenstige Lieferant tragen muss. "Bis RFID auf Artikelebene eingesetzt wird und damit den Endkunden einbezieht, wird es nach unserer Einschätzung noch zehn bis 15 Jahre dauern", sagt Maas.
In einem Test-Supermarkt im niederrheinischen Rheinberg probiert der Konzern aber schon mal die Kundenakzeptanz bei einer eingeschränkten Zahl von Produkten. Bislang gibt es keine Klagen. Dass RFID scheitern könnte, weil die Verbraucher keine "gläsernen Kunden" sein wollen, hält er für ausgeschlossen. "Wir nehmen diese Diskussion sehr ernst, und wir setzen auf jeden Fall auf größtmögliche Transparenz", versichert er. Die Metro ist außerdem Mitglied bei EPCglobal, wo die technischen Standards für RFID und die Richtlinien für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Technologie im Verkaufsraum entwickelt werden. In diesem Informationsnetzwerk wollen die Anwender auf freiwilliger Basis auch Sicherheitsstandards festsetzen. Dennoch ruft die Aussicht auf RFID die Datenschützer auf den Plan. RFID habe das Potenzial zu allgegenwärtiger Überwachung, warnt der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Peter Schaar. "Wenn alle möglichen Gegenstände - Kleidung, Kühlschränke, Lebensmittel, Arzneimittel - mit Funkchips ausgestattet sind und über Netze miteinander verknüpft werden, lässt sich letztlich jeder Umgang mit diesen Gegenständen registrieren." Angesichts dessen müssten die Verbraucher sicher sein, dass ihr Verhalten nicht heimlich überwacht wird. Schaar fordert verbindliche Regeln im Umgang mit RFID. Verletzungen dieser Regeln, etwa heimliche Überwachungsmaßnahmen, müssten unter Strafe gestellt werden.