Auch gut eine Woche nach der schweren Wahlschlappe in den Oberhauswahlen geht das Rätselraten um die Zukunft von Ministerpräsident Shinzo Abe weiter. Nachdem die Regierungskoalition aus Abes liberaldemokratischer Partei (LDP) und der buddhistischen Neuen Gerechtigkeitspartei bei den Wahlen am 29. Juli die Mehrheit im Oberhaus eingebüßt hatte, forderten die oppositionelle demokratische Partei (DPJ) und die meisten Tageszeitungen seinen Rücktritt und vorgezogene Neuwahlen des politisch entscheidenden Oberhauses. Doch Abe hat bisher standhaft erklärt, im Amt bleiben und seine Wirschaftsreformen weiterführen zu wollen.
Abe stützt seine Standhaftigkeit auf die Zweidrittelmehrheit der Regierungskoalition im Unterhaus. Mit der kann die Kammer vom Oberhaus abgelehnte Gesetze ohne Vermittlungsausschuss direkt in Kraft setzen. Formal scheint das Regieren daher für Abe möglich, obwohl die Koalition im Oberhaus 28 Sitze verloren hat und nur noch über 105 der 242 Sitze verfügt. Mit einer Kabinettsumbildung will er wieder in die Offensive gehen. Erster Schritt: Er entledigte sich des Landwirtschaftsministers Norihiko Akagi.
Die Bedingungen für Abes Neustart sind dennoch schlecht. Nach Umfragen ist die DPJ so populär wie nie zuvor. Einige Beobachter glauben daher, dass die LDP ihren Chef nach dem Besuch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel Ende August fallen lassen wird. Selbst wenn er im Amt bleibt, könnte er bis Ende des Jahres an einer Blockadepolitik der DPJ im Oberhaus scheiteren - ein realistisches Szenario.
Denn die DPJ überlegt, ihren Status als stärkste Oberhaus-Fraktion zu nutzen, um die Abstimmung von Gesetzen hinauszuzögern. Noch nicht abgestimmte Gesetze kann das Unterhaus trotz Zwei-Drittel-Mehrheit nicht in Kraft setzen. Die Regierung wäre damit lahm gelegt. Abe bliebe kaum ein Alternative zum Rücktritt und möglichen Neuwahlen des Unterhauses im kommenden Jahr.
Doch am Ende ist der Premier noch nicht. Denn er kann auf ein Grundmisstrauen der Wähler in die zwischen Linken und Wirtschaftsliberalen zerrissene DPJ hoffen. In einer Umfrage der Zeitung Yomiuri sprachen 46 Prozent der Japaner der DPJ die Regierungsfähigkeit ab und nur 36 Prozent zu. Nach anderen Stimmungsbildern ziehen die Japaner eine große Koalition einer DPJ-geführten Regierung ohne die LDP vor.
Eine Minderheit der Kommentatoren glaubt daher, dass die DPJ sich eine destruktive Totalblockade aller Gesetze nicht leisten kann. So könnte sich Abe vielleicht bis zu den Unterhauswahlen 2009 durchwurschteln.