Hartz IV
Neue Diskussion um den Regelsatz
Reichen 347 Euro im Monat, um würdig am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können? Wer den Hartz-IV-Regelsatz erhält, dürfte diese Frage eindeutig verneinen - und das nicht erst, seitdem die Preise für Milch gestiegen sind. Eben dieser Preisanstieg war für den thüringischen Ministerpräsidenten Dieter Althaus (CDU) Anlass, vorzuschlagen, den Regelsatz an die Inflationsrate anzupassen.
Zustimmung dafür kommt vom bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) und dessen saarländischem Kollegen Peter Müller (CDU). And auch der CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla kann sich eine Anhebung der Sätze vorstellen, falls die Überprüfung des Preisindex diese Notwendigkeit ergibt. Unions-Fraktionschef Volker Kauder dagegen meint, "dass das geltende System der Anpassung richtig und ausreichend ist".
Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) hat nun eine Erhöhung von Hartz IV an die Einführung eines Mindestlohnes gekoppelt. Damit hat er ein Thema wieder belebt, mit dessen Durchsetzung die SPD erst vor kurzem in der Koalition gescheitert war. Müntefering argumentiert, das Geld für einen höheren Hartz-IV-Regelsatz müsse irgendwo her kommen, der Bundeshaushalt dürfe aber nicht zusätzlich belastet werden.
Da derzeit 600.000 Menschen trotz Vollzeitstelle Hartz IV als aufstockende Leistung bekämen, müssten Mindestlöhne ein ausreichendes Einkommen sichern. Damit wäre dann Geld für einen erhöhten Regelsatz frei. Hartzkosten und Mindestlohn gehörten "originär zusammen". Müntefering kündigte an, die Regelsätze zu prüfen. Das Ergebnis werde dem Bundeskabinett im November zur Entscheidung vorgelegt.
Doch die Union will auf keinen Fall über den Mindestlohn reden. Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ ausrichten, dass sie die Überprüfung des Regelsatzes begrüße, aber keinen "unmittelbaren kausalen Zusammenhang" mit dem Mindestlohn sehe.
Der Fraktionschef der Linkspartei, Oskar Lafontaine, warf Müntefering "ein falsches Spiel" vor. Dessen Kopplung von Hartz-IV-Erhöhung und Mindestlohn-Einführung führe "in der aktuellen Regierungskonstellation dazu, dass aus beidem nichts wird".
Zusätzlich angeheizt wird die Debatte um Hartz IV durch die neuen Zahlen zur Kinderarmut. Danach leben trotz Wirtschaftsaufschwungs im März dieses Jahres 1,9 Millionen der unter 15-Jährigen in Armut - ein neuer Höchststand, der dazu geführt hat, dass Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Franz Müntefering nun an einer grundsätzlichen Reform des Kinderzuschlags arbeiten. Dieser Zuschlag, der monatlich maximal 140 Euro beträgt und höchstens 36 Monate gezahlt wird, ist für Eltern mit geringem Einkommen vorgesehen, die in ihrem Haushalt für Kinder unter 25 Jahren sorgen. Hartz-IV-Empfänger sind davon ausgenommen. Von der Leyen will nun den Empfängerkreis des Zuschlags ausweiten und das Antragsverfahren vereinfachen.
Die Debatte um die Höhe des Hartz-IV-Satzes kommt genau zum "Jubiläum" der Reform: Die Hartz-Kommission hatte vor fünf Jahren, am 16. August 2002, ihre Empfehlungen für den Arbeitsmarkt der Öffentlichkeit vorgestellt. An der Seite seines Freundes Gerhard Schröder (SPD) prophezeite der damalige VW-Manager Peter Hartz damals, mit den Maßnahmen ließe sich die Zahl der Arbeitslosen von vier auf zwei Millionen halbieren. Ein Trugschluss: Im Juli 2007 waren in der Bundesrepublik 3,7 Millionen Frauen und Männer als arbeitslos registriert.