Roman
Der Brite Paul Torday glänzt mit einem komischen und anrührenden Debüt
Es gibt Ideen, die sind so schräg, dass man sie einfach lieben muss: Da will ein arabischer Scheich im Jemen Lachse ansiedeln, um seine Landsleute für das Sportfischen zu begeistern. In einem Gebiet so trocken wie eine Dörrpflaume und so sengend heiß wie ein Wüstenwind am Mittag. Riesige Flusstäler graben sich dort in den Sand, so genannte Wadis, die nur nach den seltenen, aber starken Regenfällen Wasser führen und in der übrigen Zeit tiefe Krusten bilden, weil kein Tropfen ihre Erde berührt. Nun also sollen da Lachse hin, große silbrig glänzende Fische, die am liebsten durch kaltes, sauerstoffreiches Wasser springen, dann flussabwärts zum Meer wandern, wo sie einige Jahre leben und dann wiederkehren, um sich im Süßwasser zu vermehren.
Es ist eine wilde Story, die sich der Brite Paul Torday, selbst begeisterter Lachsfischer, für seinen Debütroman ausgedacht hat, und ganz sicher ist "Lachsfischen im Jemen" eine der komischsten und zugleich anrührendsten Geschichten dieses Büchersommers. Torday erzählt sie in einer Folge von Briefwechseln, Tagebucheinträgen und Vernehmungsprotokollen, ein eher selten bemühtes Stilmittel, das hier in seiner ganzen Vielschichtigkeit aber grandios funk-tioniert.
Die Crux: Ausgerechnet britische Fischereiexperten sollen die ungewöhnliche Lachswanderung ins Wadi möglich machen, der Grund, warum es plötzlich um viel mehr geht, als nur um ein paar ausgesetzte Flossentiere und eine abgefahrene Idee. Das Jemenlachsprojekt wird zum Politikum. Ein westliches Land unterstützt einen muslimischen Staat in einem irrwitzigen Experiment. Das Paktieren des Scheichs mit den "Ungläubigen" ruft Terroristen auf den Plan. Und profilsüchtige Politiker und deren kriecherische Adjutanten erkennen in der Lachs-Nummer die Chance, endlich von den Konflikten im Nahen Osten abzulenken und zur Abwechslung mal gute Schlagzeilen zu produzieren.
Wer die rund 400 Seiten durch hat, ist nicht nur furchtbar traurig, weil es ewig so weitergehen könnte, sondern hat auch einiges dazu gelernt: über Lachse und das Fischen, natürlich, über mediengeile Politiker und die Fallstricke der Diplomatie. Mehr aber noch über die Kraft der Träume und die Möglichkeit, Dinge zu tun, die man vorher für unmöglich hielt. Diese Erkenntnis verändert schließlich alle, die das Lachsprojekt von Nah und Fern begleiten: Den schüchternen Lachs- und Fischereiexperten Dr. Alfred Jones, der das Vorhaben, nach anfänglichem Zögern, wissenschaftlich betreut und darüber die Leidenschaft entdeckt - in seiner Arbeit, in sich selbst und in der Liebe. Seine kühle Frau Mary, mit der er seit Jahren eine solide, aber gleichgültige Ehe führt, und die ihren Wissenschaftlergatten behandelt wie einen Trottel - solange, bis selbst ihr Buchhalterinnenherz kapieren muss, dass Alfred die Gängelleine im Wadi versenkt hat.
Am drastischsten ergeht es Harriet, der reizenden Immobilienberaterin des Scheichs, deren Verlobter im Irak kämpfen und schließlich sterben muss, während Alfred und sie im Jemen quasi für den Völkerfrieden fischen. Und nicht zuletzt wäre da noch Peter Maxwell, der eitle Pressemann des Premierministers, der im Jemenlachsprojekt die große Zeitungsstory wittert, eine Imagekampagne par excellence für das Königreich - denn, so die Logik des PR-Strategen, die Lachse könnten andere, "weniger konstruktive Nachrichten aus Ländern wie Irak, Iran oder Saudi-Arabien" von den Titelseiten verdrängen. Das finale Foto hat Maxwell schon im Kopf: Der Premier in einem jemenitischen Wadi stehend, hinter ihm jubelnde Araber, in der einen Hand eine Angelrute, in der anderen ein Lachs - "was für ein Bild!"
Das Ende der Geschichte ist so wunderbar grotesk - man will Lachen, Weinen und den Kopf schütteln zugleich. Und während man sich noch die Augen reibt, hegt man nur einen Wunsch: Torday muss noch viele solcher Bücher schreiben.
Lachsfischen im Jemen.
Roman.
Berlin Verlag, Berlin 2007;
368 Seiten, 19,90 ¤