Klimaschutz
Der Energieverbrauch ist zu hoch - egal, ob der Strom aus Uran, Kohle, Wind oder Sonne gewonnen wird
Die Debatten der vergangenen Monate sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene haben eines bewiesen: Allen Verantwortlichen ist bewusst, dass etwas gegen den Klimawandel unternommen werden muss. Welchen Weg man dabei beschreiten will, darüber herrschen allerdings sehr unterschiedliche Vorstellungen.
Die wissenschaftlichen Studien, in denen die ökonomischen Kosten des Klimawandels berechnet werden, kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Ein bis maximal fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts müssten nach den vom Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) ausgewerteten Studien aufgebracht werden, damit sich der Globus nicht um mehr als zwei Grad erwärmt. Wird es noch heißer, so warnen die Wissenschaftler vor dramatischen Entwicklungen: Nicht nur das Ökosystem des Regenwaldes sei in Gefahr, sondern auch die Weltmeere, bisher wichtigster Nahrungslieferant, drohen zu versauern. Die Eisschilde von Grönland und der Antarktis könnten bei einem weiteren Temperaturanstieg irreversibel zu schmelzen beginnen.
Konrad Kleinknecht, Professor für Physik an der Universität Mainz und Klimabeauftragter der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, geht in seinem Buch "Wer im Treibhaus sitzt" zunächst auf diese drohenden Gefahren ein. Danach beschreibt er die Endlichkeit der Ölreserven. Nach Schätzungen des amerikanischen Energieministeriums seien sie spätestens in 35 Jahren erschöpft. Nach Berechnungen des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts würden sie sogar nur noch 22 Jahre reichen - denn es sei davon auszugehen, dass weltweit der Bedarf an Rohöl weiter wachsen wird. Aber nicht nur Rohöl sei eine endliche Ressource, sondern auch Erdgas. Nach Angaben Kleinknechts sind die Reserven in 31 Jahren verbraucht.
In den weiteren Abschnitten seines Buches wendet sich Kleinknecht der herrschenden Energieversorgung durch Kohle-, Öl-, Gas- und Kernkraftwerke zu. Er stellt jeweils die ökologischen Vor- und Nachteile dieser Technologien vor. Seine Befürwortung der Atomkraft wird dabei ohne Zweifel deutlich. "Während das Kohlendioxid aus den Kohlekraftwerken irreversibel in die Atmosphäre als Endlager entlassen wird und weltweit wirkt, sind die Rückstände der Urankraftwerke an einem Platz tief in der Erde zu lokalisieren und dort auch zu überwachen. (…) Die Endlagerung ist eher ein psychologisches als ein technisches Problem." Anschließend skizziert der Autor zwar verschiedene Ausstiegsvarianten, die aber alle eigentlich die gleiche Botschaft haben: Ohne Atomkraft geht es nicht!
Im Weiteren widmet sich Kleinknecht möglichen Alternativen zur Einsparung von Energie. Dazu zählen Maßnahmen zur Erhöhung der Effizienz und der Innovation wie etwa Wärmedämmung in Wohnungen und Eigenheimen sowie die effizientere Nutzung von Brennstoffen durch kleine dezentrale Blockheizkraftwerke, die Entwicklung effizienterer Motoren und der Einsatz des Hybridantriebs bei Kraftfahrzeugen. Daneben thematisiert er die Stromerzeugung aus Wasserkraft, die aber seiner Meinung nach in Deutschland nicht mehr wesentlich gesteigert werden könne.
Ebenso skeptisch steht der Physiker der Windkraft gegenüber, die nur als Ergänzung zu verstehen sei, da sie wegen der Schwankungen bei der Stromerzeugung je nach Windstärke nur einen geringen Teil an gesicherter Leistung zur Verfügung stellen könne. Die Nutzung von Biomasse ist für ihn ebenfalls nur eine Zusatzmöglichkeit, weltweit liege deren Anteil an der Stromerzeugung lediglich bei knapp einem Prozent. Die Photovoltaik sieht Kleinknecht als Nischentechnologie; wichtig seien eine Steigerung des Wirkungsgrades, eine Reduzierung des Materialeinsatzes an Silizium und eine Lösung des Speicherungsproblems.
Im Schlussteil seines Buches stellt Kleinknecht die Energieoptionen für Deutschland zusammen. Dabei wird wieder seine eindeutige Parteinahme für die Kernenergie deutlich. Mit den Risiken dieser Technologie setzt sich der Autor allerdings nur bedingt auseinander. Zunächst einmal ist nicht zutreffend, dass Kernenergie eine völlige CO2-freie Energieerzeugung ist. Bau und Rückbau der Anlagen, Urangewinnung und Transport, Endlagerbau und -betrieb verursachen CO2-Emissionen. Darüber hinaus ist Kernenergie nicht geeignet, die Energieproduktion flexibel dem jeweiligen Verbrauch anzupassen; sie simuliert im Grunde einen hohen Energieverbrauch. Die Gefahren der Kernenergie sind zu groß, um ihren Einsatz aus Klimaschutzgründen zu rechtfertigen. Nicht zuletzt ist Europa bei keinem Energieträger so abhängig von Importen wie beim Uran.
Auf die Energieverschwendung in Deutschland richtet auch Karl-Heinz Büschemann sein Augenmerk. Der Wirtschaftsredakteur der "Süddeutschen Zeitung" moniert in seinem Buch "Der Rauswurf aus dem Paradies" unter anderem die gestiegenen Verkaufszahlen von Kraftfahrzeugen mir hoher PS-Leistung und dem damit verbundenen großen Spritverbrauch. So sei der Marktanteil von Fahrzeugen mit 136 bis 190 PS zwischen 2000 und 2006 von 14,5 auf 27,1 Prozent gewachsen. Aber nicht allein beim Autofahren seien die Deutschen verschwenderisch, auch in den privaten Haushalten gebe es ein Einsparpotenzial von rund 45 Prozent. Ähnlich wie Kleinknecht verweist Büschemann auf die begrenzten Rohstofffe Erdöl und Erdgas, problematisiert aber auch die Endlichkeit der Uranreserven.
Kleinknecht und Büschemann konstatieren übereinstimmend, dass sich beim Kampf um die Rohstoffe die Industrienationen verstärkt mit China und Indien auseinandersetzen müssen. Beide Staaten seien zu Wirtschaftsmächten aufgestiegen, die nun mit den anderen Industrienationen um Machteinflüsse bei den Rohstoff exportierenden Ländern ringen. Gerade in Afrika gehöre China zu den wichtigsten Akteuren hinsichtlich der Erschließung und Ausbeutung neuer Rohstofflagerstätten. Als weltweit zweitgrößter Rohölverbraucher beziehe China mehr als ein Viertel seiner Öleinfuhren aus dem Golf von Guinea und dem Sudan.
Durch eigene Kohlevorkommen könnten China und Indien zwar einen Großteil ihres Energiebedarfs durch Eigenproduktion decken. China und Indien verfügten nach den USA und Russland über die dritt- und viertgrößten Kohlevorkommen. Die extensive Nutzung von Kohle führe als Folge der ineffizienten Verbrennungstechniken aber zu enormen Luftverschmutzungen, vor allem in den Großstädten. Verschärft werde die Situation durch die wachsende Automobilbranche. Seit 2006 sei China nach den USA der zweitgrößte Automobilproduzent. Insgesamt seien 2006 in China 7,2 Millionen Fahrzeuge gebaut worden, die Hälfte davon Pkw. Bis 2020 würden nach einem Bericht der Weltbank 190 Millionen Fahrzeuge über Chinas Straßen rollen - mehr als in den USA.
Wenig positives weiß Büschemann darüber zu berichten, was Politik und Industrie geleistet haben, um das Energieproblem in den Griff zu bekommen. Er kritisiert hauptsächlich die Verflechtungen zwischen den Energiekonzernen und der Politik, die Umsetzung der Emissionszertifikate und die Zuständigkeitsprobleme in der Bundesregierung bei Energiefragen: "Es gibt in Deutschland keine Energiepolitik aus einem Guss (...). Das letzte geschlossene Energiekonzept einer Bundesregierung stammt von 1980, als der Kanzler noch Helmut Schmidt hieß."
Ähnlich wie Kleinknecht hegt Büschemann große Skepsis, dass die erneuerbaren Energien die fossilen Energieträger sowohl national als auch international ersetzen können. Seine Analyse mündet in dem Vorschlag einer international abgestimmten Weltenergiepolitik, in deren Rahmen die Europäische Union und große Energiekonzerne ein Bündnis schließen. Wie dieses Bündnis konkret aussehen soll, hierauf bleibt der Autor eine Antwort leider schuldig.
Wer im Treibhaus sitzt. Wie wir der Klima- und Energiefalle entkommen.
Piper Verlag, München 2007 256 S., 14 ¤
Der Rauswurf aus dem Paradies. Wohlstandskiller Energie.
Murmann Verlag, Hamburg 2007;
221 S., 19,50 ¤