KOhlendioxid
Die Energiekonzerne suchen nach Wegen, den Ausstoß zu senken
Manches geht eben nur mit Zwang. Norwegen mit seinen Öl- und Gasreserven in der Nordsee führte schon 1992 und damit fünf Jahre vor der in Kioto verabschiedeten Konvention zum Klimaschutz eine CO2-Steuer ein. Für jede in die Atmosphäre gelassene Tonne des Klimagiftes muss der Verursacher heute eine Abgabe von annähernd 33 Euro zahlen. Seitdem arbeitet Norwegen mit Hochdruck daran, CO2 zu vermeiden, sodass das Land heute bei den Verfahren einen Technologie-Vorsprung hat. Der staatliche norwegische Energiekonzern Statoil hat schon vor zehn Jahren damit begonnen, in seinem Sleipner-Gasfeld in der Nordsee das mit der Gasförderung an die Oberfläche gelangte Kohlendioxid ins Meer zurückzubringen und in Hohlräume über den natürlichen Gaslagerräumen zu pressen.
Jetzt kommt das Verfahren auch bei dem Megaprojekt Snoehvit (Schneewittchen) in der Barentssee zum Einsatz. Auf der kleinen Insel Melkoya vor dem Hafenstädtchen Hammerfest will Statoil aus einem Feld 140 Kilometer nördlich des Nordkaps gewonnenes Gas in der ersten europäischen Verflüssigungsanlage zum Weitertransport per Schiff aufbereiten. Im Baukonsortium und für die Verflüssigungsanlage zuständig ist der deutsche Anlagenbauer Linde. Finanziell beteiligt an dem Projekt ist der RWE-Konzern mit einem Anteil von 2,81 Prozent.
"Diese Beteiligung ist für uns ungemein wichtig", sagt RWE-Forschungschef Johannes Heithoff. 700.000 Tonnen CO2 werden in Hammerfest im Jahr vom Gas abgetrennt und zurück in den Boden unterhalb der Barentssee gepumpt. RWE profitiere von den norwegischen Erfahrungen und bekomme Zugang zu dem Know-how, CO2 in großtechnischem Maßstab einzulagern, glaubt Heithoff. Der Essener Konzern will in Deutschland für über eine Milliarde Euro ein CO2-freies Großkraftwerk bauen. Konzernchef Harry Roels sieht ein solches Kohlekraftwerk, bei dem kein CO2 in die Atmosphäre gelangen soll, als "eine Schlüsseltechnologie für den Klimaschutz" an.
In der Abtrennung des Kohlendioxids bei der Kohleverstromung sieht der RWE-Konzern technisch kein großes Problem. Geregelt werden müssten vielmehr Fragen des Transports und der geplanten unterirdischen Einlagerung des Klimagiftes. Auch in Deutschland gibt es Überlegungen, hierfür frühere Erdgaslagerstätten zu nutzen. Bei noch aktiven Feldern ließe sich mit dem eingepumpten Kohlendioxid die Gasförderung steigern. Allerdings gibt es nicht genug Lagerstätten. Technisch ist die Einlagerung auch in salzwasserhaltigen Gesteinsschichten möglich. Für die Nutzung dieser salinen Aquifere fehlt in Deutschland aber der Rechtsrahmen. Überhaupt gibt es bislang von der Bundesregierung keine Festlegung, ob sie die CO2-Lagerung in der Erde unterstützen will. Die FDP hat in einem Antrag ( 16/5131 ) gefordert, die CCS (Carbon Dioxide Capture and Storage) genannte Technologie der Abtrennung und Ablagerung von Kohlendioxid verstärkt in künftige Klimaschutzverhandlungen einzubeziehen. Von der Bundesregierung verlangt die Fraktion, Forschung und Entwicklung der CCS-Technologie zu fördern. Starke Befürworter solcher Ideen gibt es in der EU. Nach den Vorstellungen der Kommission sollen ab 2020 alle neuen Kohlekraftwerke mit Anlagen zur Abscheidung und dem Abtransport von CO2 ausgerüstet werden.
Bis zum Jahr 2020 will die Energiebranche in Deutschland mehr als 40 neue Kraftwerke mit einer Leistung von 40.000 bis 50.000 Megawatt bauen. Die meisten Großanlagen davon sollen mit Kohle befeuert werden. Doch bei der Verbrennung entstehen große Mengen CO2.Technische Lösungen zur Minderung der Emissionen hält Johannes Lambertz, der stellvertretende Vorstandschef des Kraftwerksbetreibers RWE Power, für das wichtigste Instrument zur langfristigen Sicherung der Kohle.
Auch der Eon-Konzern testet mit den Kraftwerksspezialisten Alstom in Schweden eine neue Technologie zur Abtrennung von CO2. Und der Vattenfall-Konzern, der in Deutschland mehrere Braunkohlenkraftwerke betreibt, baut in der Lausitz ein kleines CO2-freies Kraftwerk als Demonstrationsanlage. Sie soll im kommenden Jahr in Betrieb gehen.
Dass RWE die Entwicklung der CO2-Abtrennung vorantreibt, verwundert nicht. Kohle dominiert den Erzeugungsmix beim zweitgrößten deutschen Energiekonzern. Er produziert seinen Strom zu 33 Prozent aus Braunkohle und zu 32 Prozent aus Steinkohle.
RWE ist damit der größte CO2-Emittent in Europa. Der Konzern muss noch entscheiden, ob das CO2-freie Kraftwerk mit Stein- oder Braunkohle befeuert wird und wo es stehen soll. Mit dem Baubeginn sei Anfang 2010 zu rechnen. Gebaut wird in jedem Fall ein Kombi-Kraftwerk mit integrierter Kohlenvergasung. Die Kohle wird dabei nicht wie in einem herkömmlichen Kraftwerk verfeuert, sondern zunächst in einem Vergaser in Gas umgewandelt. Nach der Abtrennung des CO2 bleibt elementarer Wasserstoff, der in einer Gasturbine verbrannt wird. Parallel zu diesem Verfahren entwickelt der Konzern die Technik der CO2-Wäsche, um später modernere Kohlekraftwerke damit nachzurüsten.