Griechenland
Karamanlis regiert weiter mit absoluter Mehrheit - trotz Verlusten bei der Parlamentswahl
Üblicherweise ist die Vorstellung eines neuen Kabinetts in jedem Land die politische Hauptnachricht des Tages. Als Griechenlands im Amt bestätigter Ministerpräsident Konstantinos Karamanlis nach den Parlamentswahlen vom 16. September seine neue Regierungsriege vorstellte, musste er sich die Medienaufmerksamkeit jedoch mit dem politischen Gegner teilen: Das Blatt "Eleftherotypia" widmete den Querelen in der Opposition nach der Wahl ganze sieben Seiten, als sei das eigentliche Ereignis nicht die Wiederwahl von Karamanlis, sondern der zweite erfolglose Versuch des Oppositionsführers Papandreou, die Macht zu erringen.
Charakteristisch war auch der Aufmacher der Athener Tageszeitung "To Vima", die auf einer zweigeteilten Titelseite über die neue Regierung und den Machtkampf innerhalb der Opposition berichtete. Denn dort sehen manche Beobachter bereits das Ende einer Ära heraufziehen: In Griechenland hat Georgios Papandreou, Chef der einst von seinem Vater Andreas Papandreou gegründeten und zu Macht und Einfluss geführten Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (Pasok), eine herbe Niederlage hinnehmen müssen.
Laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis erhielt die Pasok nur 38,12 Prozent der Stimmen und kann damit 102 Parlamentarier in die Athener Volksvertretung entsenden. Das allein ist für die Pasok schon eines der schlechtesten Ergebnisse in der Parteigeschichte. Hinzu kommt, dass es auch eine deutliche Verschlechterung gegenüber der Wahl vom März 2004 darstellt, als die Pasok nach mehr als 20 nur kurz unterbrochenen Jahren der Machtausübung abgewählt wurde. Das Minus von 2,4 Prozentpunkten gegenüber der vorigen Wahl zeigt, dass es dem glücklos wirkenden Papandreou in den dreieinhalb Jahren der Opposition nicht gelungen ist, die Partei zu erneuern.
Nun rumort es bei den griechischen Sozialisten, und viele wähnen Papandreous Tage an der Spitze der Partei gezählt. Der ehemalige Außenminister hatte die Führung der Pasok übernommen, als sie noch an der Macht war, sich jedoch schon in einer Krise befand. Unter dem effektiven, aber wenig öffentlichkeitswirksamen Ministerpräsidenten Simitis hatten sich die Umfragewerte zusehends verschlechtert. Allein das Markenzeichen Papandreou, so hofften die Strategen der Partei, werde die Pasok noch retten können - schließlich stellen die Papandreous seit drei Generationen griechische Spitzenpolitiker. Doch nach der jüngsten Niederlage ist nun ein Herausforderer mit dem Ziel angetreten, die Führung der Partei zu übernehmen: Der ehemalige Kulturminister Evangelos Venizelos - redegewandt, energisch, populär - hat seinen Anspruch auf den Parteivorsitz verkündet. Doch noch macht Papandreou keinerlei Anstalten, das Feld zu räumen.
Ein Machtkampf bahnt sich an. Manche Funktionäre der Pasok sprechen bereits von der Gefahr einer Spaltung der Partei. Hinter vorgehaltener Hand teilen sie die Einschätzung der Zeitung "Kathimerini", die jüngst urteilte, der letzte Dienst, den Papandreou seiner Partei erweisen könne, bestehe in seinem Rücktritt. Der will davon einstweilen jedoch nichts hören. Die von einigen Medien veröffentlichten Umfragen, laut denen sich eine überwältigende Mehrheit der Pasok-Mitglieder Venizelos als Parteihef wünscht, tat er als Kampagne seiner Gegner ab: "Die Pasok kann nicht manipuliert werden."
Angesichts dieser Grabenkämpfe in der Opposition sollte die siegreiche Nea Dimokratia (ND) eigentlich vor Optimismus strotzen. Doch in den Siegesjubel der Regierungspartei mischten sich von Beginn an Ernüchterung. Denn auch die ND hat an Unterstützung verloren, stärker noch als die Pasok: Die 41,86 Prozent Wählerstimmen reichen zwar wiederum zu einer knappen Regierungsmehrheit im Parlament, wo die ND-Fraktion künftig 152 von 300 Sitzen einnehmen kann. Das Ergebnis bedeutet aber auch einen Stimmenverlust von 3,3 Prozent gegenüber 2004.
Da Karamanlis in seiner zweiten Amtszeit einige ebenso unumgängliche wie unpopuläre Reformen angehen muss - dringlich ist vor allem die grundlegende Umgestaltung des defizitären Rentensystems mit seinen fast 200 Kassen - dürfte die Zustimmung der Partei weiter schrumpfen. Die Verluste der beiden großen Volksparteien veranlassten Politologen, Journalisten und andere professionelle Interpreten des politischen Geschehens in Griechenland bereits zu Vermutungen, dass sich damit das schleichende Ende des "dualen Systems" in Griechenland ankündige. Denn die Demokratie in Hellas wird seit dem Ende der Obristenherrschaft 1974 im Wesentlichen von zwei Parteien bestimmt, die wiederum von drei Familien dominiert werden.
Die Bestimmung des griechischen Wahlgesetzes, laut der dem Wahlsieger automatisch 40 Sitze zusätzlich zugesprochen werden, hat zwar in der Vergangenheit für eine gewisse Stabilität gesorgt, da die jeweils stärks-te Partei meist ohne Koalitionspartner regieren konnte. Allerdings hatte die Klausel auch negative Folgen: Es fehlt das sprichwörtliche Zünglein an der Waage, das die beiden großen Parteien beweglich hält. Die Pasok ist 2004 nicht zuletzt deshalb abgewählt worden, weil sich in der Bevölkerung die Auffassung durchgesetzt hatte, die Partei sei zu tief in Korruption und Nepotismus verstrickt und habe den Staat gleichsam für sich vereinnahmt.
Ähnliches war auch der ND vorgeworfen worden. Es dürfte diese Volksparteienmüdigkeit sein, die - insbesondere nach den verheerenden Waldbränden dieses Sommers - zu den Gewinnen der kleinen Parteien im Parlament geführt hat. Am deutlichs-ten ( plus 2,1 Prozentpunkte) hat die Kommunistische Partei hinzugewonnen, die insgesamt 8,13 Prozent der Stimmen erhielt, künftig 22 Parlamentarier im Athener Parlament haben wird und damit drittstärkste Kraft bleibt. Das populistische Linksbündnis Syriza gewann 1,7 Prozentpunkte hinzu und stellt mit 5,03 Prozent der Wählerstimmen nun eine Fraktion von 14 Abgeordneten. Neu im Parlament sind schließlich die Rechtspopulisten von "Laos", die 3,79 Prozent der Stimmen erhielten und zehn Abgeordnete entsenden können.
Womöglich wird eine dieser Parteien ein Wort mitzureden haben, wenn die nächste griechische Regierung gebildet werden muss.