JAHRESSTEUERGESETZ 2008
Berufstätige Ehepaare sollen anteiligen Lohnsteuerabzug wählen können
Die Lohntüte gibt es schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Ihre Tage waren gezählt, als die Arbeitnehmer alle über Girokonten verfügten. Das gleiche Schicksal droht jetzt auch der Lohnsteuerkarte aus Karton im DIN-A-5-Format. Im Jahr 2010 soll sie zum letzten Mal ausgestellt werden. Ab 2011 wird es dann nur noch elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale geben, im Finanzamtsjargon auch "ElsterLohn II" genannt.
Die rechtlichen Voraussetzungen dafür legt das Jahressteuergesetz 2008. Den Regierungsentwurf ( 16/6290 ) dazu hat der Bundestag am 20. September in erster Lesung zur Beratung an den Finanzausschuss überwiesen. Der wird am 10. Oktober rund 50 Sachverständige in einer mehrstündigen öffentlichen Anhörung dazu befragen.
Wenn es auch die Lohnsteuerkarte nicht mehr geben wird, so bleibt den abhängig Beschäftigten doch der Lohnsteuerabzug erhalten. Bei "ElsterLohn II" geht es darum, dem Arbeitgeber die erforderlichen Merkmal für den korrekten Abzug der Lohnsteuer elektronisch zur Verfügung zu stellen. Sie können dann verwendet werden, solange das Arbeitsverhältnis besteht. Gibt es Änderungen, kann der Arbeitgeber sie ebenfalls elektronisch aus dem Datenbestand des Bonner Bundeszentralamtes für Steuern abrufen. Weil viele Merkmale über Jahre hinweg unverändert bleiben, entfällt für die Arbeitgeber der mit den Steuerkarten verbundene Arbeitsaufwand.
Wenn den Gemeinden im Jahr 2010 die Lohnsteuerabzugsmerkmale vorliegen, beispielsweise die Steuerklassenkombination bei Eheleuten oder eine gewünschte niedrigere Zahl der Kinderfreibeträge, sollen diese dem Bundeszentralamt elektronisch gemeldet werden. Voraussetzung für dieses Vorgehen ist allerdings, dass die für kommendes Jahr geplante Vergabe von Identifikationsnummrn für jeden einzelnen Steuerpflichtigen abgeschlossen ist. Der Arbeitnehmer muss seinem Arbeitgeber diese Nummer sowie seinen Geburtstag mitteilen.
Der elektronische Abruf der Merkmale soll allein "authentifzierten Arbeitgebern" und deren Beauftragten vorbehalten sein. Ausnahmen vom elektronischen Abrufverfahren sollen aber zulässig bleiben. Wer ein neues Abzugsmerkmal mitteilen, eines ändern oder auch löschen lassen will, muss sich in Zukunft direkt an sein Finanzamt wenden. Die Finanzverwaltungen der Länder wollen solche Merkmale wie Freibeträge, Hinzurechnungsbeträge oder die Zahl der Kinder über 18 Jahren direkt elektronisch einstellen, sodass der Umweg über die Gemeinden künftig entfällt. Auch müssen sich Gemeinden und Finanzämter nicht mehr wie bisher doppelt etwa mit Pauschbeträgen wegen einer Behinderung befassen.
Das Jahressteuergesetz enthält noch eine Reihe weiterer Rechtsänderungen, von denen das Angebot eines neuen "Anteilsverfahrens" beim Lohnsteuerabzug die wichtigste ist. Ziel ist es, dass Eheleute, die nicht dauernd getrennt leben, ihre jeweiligen Anteile am Lohnsteuerabzug "gerecht" verteilen können. Bislang können Eheleute wählen, ob sie die Steuerklassen-Kombinationen IV/IV oder III/V haben wollen. Bei IV/IV fällt der Abzug bei beiden prozentual gleich hoch aus, die Kombination lohnt sich also dann, wenn sich beide Einkommen nicht allzu sehr unterscheiden. Rund drei Millionen Berufstätige haben diese Kombination gewählt. Sieben Millionen Alleinverdiener haben die Steuerklasse III gewählt. Bei relativ hohen Unterschieden zwischen beiden Einkommen haben sieben Millionen Verheiratete die Kombination III/V gewählt, die den Besserverdiener mit Steuerklasse III deutlich entlastet, während der Geringverdiener mit Steuerklasse V, meist die Ehefrau, erst mal sehr viel Lohnsteuer abführen muss. Manche Ehefrau empfand die Abzüge als zu hoch und verzichtete darauf, überhaupt mitzuverdienen. Das ist aber nicht im Sinne des Finanzministers, der deshalb überlegte, wie man den Lohnsteuerabzug "gerechter" gestalten kann. Herausgekommen ist das Anteilsverfahren, das die Ehepaare vom Jahr 2009 an wählen können. Dabei wird die insgesamt zu zahlende Lohnsteuer beider Eheleute im Verhältnis der Bruttolöhne aufgeteilt. Das prozentuale Verhältnis der Bruttolöhne gibt dann den jeweiligen Lohnsteuerabzug vor. Die Paare können beispielsweise beantragen, dass das Finanzamt beim Ehemann "70 Prozent" und bei der Ehefrau entsprechend "30 Prozent" einträgt.
"Das Steuerklassen-Problem beschäftigt auch die Opposition schon seit längerem. So haben Bündnis 90/Die Grünen schon vor einiger Zeit einen Antrag ( 16/3023 ) gestellt, die Steuerklassen III, IV und V abzuschaffen. Jetzt hat auch die FDP einen Antrag ( 16/6396 ) vorgelegt mit dem Ziel, dass die Steuerklasse V gestrichen wird. Der Bundestag hat beide Initiativen an den Finanzausschuss überwiesen und wird sie gemeinsam mit dem Jahressteuergesetz beraten.
Die Liberalen wollen am liebsten das derzeitige System der Steuerklassen beseitigt sehen. Auch sie regen ein Anteilsverfahren an, das sich von dem der Bundesregierung allerdings unterscheidet. Die FDP bemängelt, dass die Regierungslösung den Datenschutz verletzt. Die Arbeitgeber würden nämlich bei der Wahl des Anteilsverfahrens zwangsläufig erfahren, wie viel der Ehepartner des eigenen Arbeitnehmers verdient. Das Verfahren müsste daher anonymisiert werden, schreibt die FDP. Da den Finanzämtern aus den Steuererklärungen des Vorjahres die durchschnittlichen Steuersätze der Eheleute vorliegen, könnte diese den Arbeitgebern für den Lohnsteuerabzug übermittelt werden. Zu Beginn der Berufstätigkeit eines Ehjepartners oder bei der ersten Zusammenveranlagung des Paares könnte dann der Arbeitgeber den voraussichtlichen Lohn dem Finanzamt mitteilen. Dieses könnte dann daraus den voraussichtlichen Durchschnittsteuersatz errechnen. Dieses Verfahren hätte den Vorteil, so die Liberalen, dass die abgezogenen Steuerbeträge wie Werbungskosten und Sonderausgaben bereits im Lohnsteuerabzugsverfahren berücksichtigt würden. Dies würde wie ein vorweggezogener Lohnsteuerjahresausgleich wirken.
Im Finanzausschuss hatte die CDU/CSU darauf verwiesen, dass die Probleme mit dem Datenschutz bekannt seien. Doch auch wenn die Steuerklasse V beantragt worden sei, erfahre der Arbeitgeber, dass das zweite Einkommen in der Ehe das höhere ist. Ob es als Wahlmöglichkeit praktikabel ist, müsse man sehen. Der Zugang zu den Daten müsse jedenfalls "eng begrenzt" sein. Die Bundesregierung räumte in der Sitzung am 19. September ein, dass es nicht ginge, das Anteilsverfahren vorzuschreiben. Aus Sicht der FDP verkompliziert das Regierungsmodell das Steuerrecht weiter und verhindert den Bürokratieabbau.
Das Jahressteuergesetz enthält darüber weitere Gesetzesänderungen. Unter anderem soll in der Abgabenordnung präzisiert werden, wann ein "Missbrauch" rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten vorliegt. Missbräuchlich soll eine ungewöhnliche rechtliche Gestaltung dann sein, wenn für seine "keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe" nachgewiesen werden, wenn sie also allein den Zweck verfolgt, Steuern zu sparen. Außersteuerliche Gründe können der Regierung zufolge wirtschaftliche oder persönliche Gründe sein.