Ins Rampenlicht gezerrt werden weder Fälle von Kindesmissbrauch noch korrupte Kirchenleute. Auch auf sensationelle Enthüllungen über die KGB-Zugehörigkeit von Angehörigen des russischen Klerus wartet der Leser vergebens. Stattdessen wird nur auf die enge Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat hingewiesen. Kurz: Thomas Bremer, der an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster Ökumenische Theologie und Ostkirchenkunde lehrt, ist eine sachliche Darstellung der über tausendjährigen Geschichte der orthodoxen Kirche Russlands gelungen.
In der gut strukturierten Arbeit werden neben der Geschichte der Kirche und ihren Beziehungen zum russischen Staat in den verschiedenen historischen Epochen auch ihre Spiritualität und Religiosität beschrieben, außerdem ihre Politik in der Ökumene. Heute wird die russische Orthodoxie auf ihre "Europafähigkeit" hin geprüft. Dabei wird sie nicht umhin kommen, ihr Verhältnis zu den geistigen Wurzeln Europas zu klären. Die orthodoxen Kirchen in Griechenland und Zypern haben dies bereits getan.