IRak-Krieg
Der CIA-Insider Tyler Drumheller liest der US-Regierung die Leviten
Im Abstand von drei Jahren bezeichnete der frühere US-Außenminister Colin Powell seine Präsentation im UN-Sicherheitsrat vom 5. Februar 2003 als "Schande": Damals hatte er der Weltöffentlichkeit weiß machen wollen, dass die USA den Krieg gegen den Irak zu Recht anstrebten. Powell wusste von "grandiosen Plänen" Saddam Husseins zu berichten und legte "handfeste Informationen" vor, die die Produktion biologischer Waffe in mobilen Laboratorien nahe legten. Der Schönheitsfehler: Es gab nur eine Quelle für den Besitz von ABC-Waffen in den Händen Saddams. Ein zweiter "Beweis" konnte nicht vorgelegt werden. Gleichwohl kam es im März 2003 - wie gewünscht - zum Angriff auf den Irak. Seitdem suchen die US-Medien nach den Verantwortlichen für diese gezielte Manipulation der Öffentlichkeit.
Daneben spüren noch einige Kommissionen der Frage nach, wer Präsident George W. Bush zu der Annahme bewegte, im Waffenarsenal des irakischen Diktators befänden sich auch Nuklearwaffen. Die Erklärungen der verantwortlichen Politiker, ihr Wissen beruhe auf Informationen der CIA, wird von den in Frage kommenden Geheimdienstlern vehement bestritten.
In dem Gezerre um die Wahrheit ist dem ehemaligen CIA-Abteilungsleiter für Euro-pa, Tyler Drumheller, jetzt ein mächtiger Wurf gegen die Irak-Lügen des Weißen Hauses gelungen. In seiner im Diederichs Verlag erschienenen Monografie "entlastet" er Deutschland von dem Vorwurf, bei der Suche nach Kriegsgründen das Weiße Haus massiv unterstützt zu haben. Immerhin kam die "Information" von angeblich mobilen Laboratorien zur Produktion und zum Transport biologischer Waffen vom Bundesnachrichtendienst (BND).
Über den Verlagsinformationen zur deutschen Ausgabe befindet sich eine unscheinbare achtzeilige "Erklärung der CIA", wonach "sämtliche geäußerten Tatsachendarstellungen, Meinungen oder Analysen" vom Autor stammen und "nicht die offizielle Haltung oder Ansicht oder CIA" wiedergeben. Zudem erfährt man, dass die Agency den Inhalt des Buches geprüft hat, um "die Enthüllung von Informationen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, zu verhindern".
Drumhellers Darstellung ist schon deshalb lesenswert, weil er einer der wichtigsten Insider ist, die direkt in die Genese des Irak-Feldzuges involviert waren. Mehr noch: Später wurden er und seine Kollegen von der US-Regierung öffentlich zu Sündenböcken erklärt, weil ihre vermeintliche mangelnde Professionalität das Weiße Haus zu der falschen Kriegs-Entscheidung verleitet habe, in dessen Verlauf 4.000 Amerikaner und an die 100.000 Iraker ihr Leben lassen mussten.
Im Zentrum der Intrige steht der Informant "Curveball" - ein Iraker, der in Deutschland Asyl beantragte und den Sicherheitsbehörden zuerst von mobilen Biolabors erzählte. Der BND gab diese Information an die CIA weiter, die sie dem Weißen Haus übermittelte. Detailliert beschreibt der Autor, wie diese aus Deutschland stammende Information instrumentalisiert wurde. Er legt dar, dass der BND-Resident in den USA darauf hinwies, dass es sich bei Curveball möglicherweise um einen "Schwindler" handle. Drumheller unterstreicht, dass er seinen Vorgesetzten wiederholt von den massiven Zweifeln an Curveballs Geschichte berichtet habe. Gleichwohl habe er damit bei CIA-Chef George Tenet und der damaligen Nationalen Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice kein Gehör gefunden: "Das Weiße Haus glaubte, was es glauben wollte."
Daneben enthüllt der CIA-Veteran einige Details der so genannten "Überstellungen", also der Entführung verdächtiger Islamisten aus Drittstaaten, darunter aus Europa. Auf welcher völkerrechtlichen Grundlage die CIA hier tätig wurde, erfährt man nicht. Immerhin gibt er zu, dass das Weiße Haus die Entführung Unschuldiger in Kauf nahm, da es den gesetzlichen Rahmen des Anti-Terrors-Krieges bewusst nicht definierte.
Wie das Weiße Haus die Welt belügt.
Diederichs Verlag, München 2007; 284 S., 19,95 ¤