BIOLOGISCHE VIELFALT
Immer weniger Arten in Geäst und Gehölz. UN-Konferenz soll das 2008 ändern.
Wälder sind in vielerlei Hinsicht rekordverdächtig: In Panama etwa fanden Wissenschaftler in den Kronen einer einzigen Baumart 1.200 verschiedene Käferarten. Wälder gehören zu den artenreichsten Lebensräume der Erde. Schätzungen zufolge besiedeln bis zu 70 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten die äquatornahen tropischen und subtropischen Wälder.
Für den Forstwissenschaftler Peter A. Schmidt sind auch die heimischen Wälder ein Paradies exemplarischer Artenvielfalt. Im Frühjahr könne er seine Studenten auf einer Exkursion mit wohlklingender Bodenflora wie Bleichem Waldvögelein, Immenblatt und Süßer Wolfsmilch bekannt machen. "Und die Elsbeere, die hier gehäuft wächst, ist eine kostbare Verwandte der Eberesche", erklärt er stolz. Sie ist als seltene Baumart auf der so genannten Roten Liste erfasst, die bedrohte Tier und Pflanzenarten auflistet. Aufgrund ihres edlen, wertvollen Holzes gilt sie sogar als Gen-Ressource. Innerhalb der einzelnen Arten schwindet die genetische Vielfalt enorm. Schmidt spricht sogar schon von "genetischer Erosion".
Je geringer die genetische Vielfalt, desto größer sei die Gefahr, dass eine Art ausstirbt, so Schmidt. Damit Bäume sich beispielsweise an veränderte Umweltbedingungen, etwa an die erwartete Klimaerwärmung, anpassen könnten, müssten sie über ausreichende genetische Vielfalt verfügen. Für das Überleben der Arten, so Schmidt, sei es also nicht nur wichtig, dass sie an die aktuellen Bedingungen angepassten, sondern auch, dass sie sich ihre Anpassungsfähigkeit bewahrten. Und Denn so Schmidt: Je mehr Arten aussterben, umso geringer die biologische Vielfalt, die Biodiversität.
Neben dem Reichtum an Arten und der genetischen Vielfalt innerhalb einer Art umfasst Biodiversität auch die Vielfalt an Lebensräumen. Allein in Zentraleuropa reicht die der Wälder vom mesophilen Buchenwald bis hin zum Fichten-Moorwald. In den Wäldern selbst zählen Bestände mit hohem Alt- und Totholzanteil zu den artenreichsten Biosphären - und gleichzeitig zu den am meisten gefährdeten Lebensgemeinschaften. Alte Bäume mit Spechthöhlen oder Baumriesen mit Astlöchern und hohlem Stamm bieten dort Unterschlupf für Vögel, Fledermäuse und Baummarder, aber sie werden immer seltener.
Arten wie der Weißrückenspecht, die Bechsteinfledermaus oder der im Totholz lebende Heldbockkäfer sind laut Umweltschutzorganisation WWF vom Aussterben bedroht. Im Unterschied zu zahlreichen Pflanzenarten des Freilandes zählen fast alle Waldpflanzen zur ursprünglich heimischen Flora. Jede Art wäre somit schutzwürdig, manche Arten spielen für den Naturhaushalt jedoch eine besondere Rolle wie die Mykorrhizapilze, die für das Wachstum der Bäume und anderer Pflanzen von großer Bedeutung sind.
Noch alarmierender sind die Folgen der globalen Holznutzung für die Artenvielfalt. Die jährliche Entwaldungsrate beträgt jährlich schätzungsweise 16 Millionen Hektar. Hauptursache: Die Umwandlung in Agrarflächen. Dabei wird täglich auch eine Vielzahl von Arten für immer vernichtet.
Im Jahr 1992 entschlossen sich Regierungen bei dem bisher weltweit größten Treffen der Vereinten Nationen, der Konferenz über Umwelt und Entwicklung (Conference on Environment and Development) in Rio de Janeiro, neben dem Problem des Klimawandels auch den Artenschutz zu verbssern. Mehr als 150 Regierungen unterzeichneten damals neben de Klima-Konvention auch das Übereinkommen über die Biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity). Seither haben mehr als 175 Staaten weltweit diese Vereinbarung ratifiziert.
Martin Kaiser, Wald- und Klimaexperte bei Greenpeace, hat im Jahr 2002 die CBD-Folgekonferenz in Den Haag verfolgt. Auch das dort "verabschiedete Waldarbeitsprogramm hat bis heute keine rechtlich verbindlichen Beschlüsse erbracht", sagt Kaiser. Fünf Jahre danach seien auch auf nationaler Ebene von den Kernthemen - Kampf gegen illegalen Holzeinschlag und Verbot des Handels mit diesem Holz - kaum Beschlüsse umgesetzt worden. Weltweit richten sich die Hoffnungen für eine Verbesserung des Artenschutzes jetzt auf Deutschland: Im Mai 2008 wird in Bonn die 9. UN-Naturschutzkonferenz stattfinden.
Themen der UN-Konferenz werden unter anderem die nachhaltige Nutzung der Wälder sowie der Schutz der Meeresökosysteme sein. Dabei soll auch Maßnahmen für eine bessere Verknüpfung von Klimaschutz- und Biodiversitätspolitik erörtert werden. Ziel des Treffens ist es dabei, bis 2010 den rapiden Verlust an biologischer Vielfalt zu senken. Zu der knapp zweiwöchigen Tagung werden rund 5.000 Delegierte erwartet.
Nach welchen Kriterien biologische Vielfalt messbar ist, ist Aufgabe von Professor Andreas Bolte, Leiter des Instituts für Waldökologie und Waldinventuren der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft (BFH) in Eberswalde. Er weiß, dass für den Schuzt der Artenvielfalt schnelles Handeln erforderlich ist. Denn, so Bolte: "Die Forschung ist besonders gefordert, weil sich die Veränderungen im Ökosystem in der Praxis schneller entwickeln, als die Grundlagenwissenschaften die zu ihrer Bewältigung notwendigen Kenntnisse bereitstellen können".