EU-AFRIKA-STRATEGIE
Die Zusammenarbeit soll auf eine neue Grundlage gestellt werden
Bevor er überhaupt beginnt, hat der EU-Afrika-Gipfel schon seinen Eklat. Großbritanniens Premier Gordon Brown machte Mitte vergangener Woche seine Drohung wahr und sagte die Teilnahme ab. Das Königreich bringt so seinen Protest dagegen zum Ausdruck, dass Zimbabwes Präsident Robert Mugabe nach Lissabon reisen wird. Die portugiesischen Gastgeber hatten sich entschlossen, jedem Mitgliedsland der Afrikanischen Union und der Europäischen Union eine Einladung zu schicken.
2003 hatte Portugal schon einmal einen Anlauf gestartet, afrikanische und europäische Staatschefs in Lissabon an einen Tisch zu bringen. Das Treffen platzte, weil Mugabe damals keine Einladung erhielt. Daraufhin sagten mehrere afrikanische Länder die Teilnahme ab. Beim ersten EU-Afrika-Gipfel im Jahr 2000 war Mugabe dabei - dafür blieb der damalige britische Premier Tony Blair demonstrativ zu Hause.
In den sieben Jahren, die zwischen dem ersten und dem zweiten EU-Afrika-Gipfel liegen, hat sich die Welt vollständig verändert. Das Treffen in Kairo fand vor den Anschlägen auf das World-Trade-Center statt. Der Exodus Richtung Europa auf halsbrecherischen Fluchtwegen hatte noch längst nicht heutige Dimensionen erreicht. Klimawandel war ein Randthema auf der politischen Agenda. Die Afrikanische Union wurde erst zwei Jahre später gegründet. China, Indien und Brasilien hatten den afrikanischen Kontinent noch nicht als attraktives Rohstoffreservoir entdeckt.
Die neue EU-Afrika-Strategie versucht eine Antwort auf die neuen Herausforderungen zu geben. Wenn sich der Erfolg einer Veranstaltung an der Menge beschriebenen Papiers messen ließe, könnte kommendes Wochenende in Lissabon nichts mehr schief gehen. Unter anderem haben Gewerkschaften beider Kontinente bei ihrem ersten Treffen Ende Oktober in Lissabon eine gemeinsame Erklärung erarbeitet. Darin begrüßen sie, dass das alte Muster - Europa als Wohltäter, Afrika als Almosenempfänger - nicht länger gelten soll. Stattdessen werde eine Partnerschaft auf gleicher Augenhöhe begründet. Am 7. Dezember werden sich Unternehmer aus Europa und Afrika ebenfalls in Lissabon zusammenfinden, um, wie es heißt, die "wirtschaftliche Dimension der Partnerschaft wieder zu stärken".
Faire Arbeitsbedingungen und fairer Lohn müssten im Zentrum der geplanten EU-Afrika-Strategie stehen, fordern die Gewerkschaften. Auf beiden Kontinenten hätten sich die sozialen Standards verschlechtert, Arbeitssuchende ohne soziale Rechte würden gegeneinander ausgespielt. Die Gewerkschaften wollen, dass "gute Regierungsführung", die Bestandteil der geplanten Strategie ist, auf den sozialen Dialog ausgeweitet wird. Soziale Rechte, die politische Teilhabe der Sozialpartner, starke Gewerkschaften und eine funktionierende Zivilgesellschaft seien für ein demokratisches Staatswesen unerlässlich.
Häufig würden grundlegende Arbeitnehmerrechte missachtet. "Zwangsarbeit, schlimmste Formen der Kinderarbeit und schwere Diskriminierung sind auf dem Arbeitsmarkt an der Tagesordnung", heißt es in der gemeinsamen Erklärung. "Es erfüllt uns mit Sorge, wie die Rechte der Gewerkschaften missachtet werden. Das wird bei Gewaltausbrüchen in Zimbabwe, die gegen Gewerkschaften gerichtet sind, besonders deutlich."
Die europäischen und afrikanischen Partnerländer müssten dafür sorgen, dass Europäische Unternehmen in Afrika die internationalen Sozial- und Umweltstandards respektieren, wie sie in den OECD-Richtlinien und den Vereinbarungen der Internationalen Arbeitnehmerorganisation ILO festgelegt sind, heißt es in dem Papier "Viel europäisches Kapital wird in Afrika investiert, vor allem im Bergbau und bei der Ölförderung. Gerade in diesen Sektoren kommt es zu gravierenden Verletzungen der Arbeitnehmerrechte - mit bewaffneten Konflikten und Bürgerkriegen als Dreingabe", heißt es darin weiter. Aber auch Arbeitsmigranten in Europa und ihre Familien hätten Anspruch auf menschenwürdige Lebensbedingungen und soziale Rechte. Das schließe das Recht ein, sich in Gewerkschaften zu organisieren. Verhandlungen zwischen der EU und Afrika müssten dazu führen, dass ein Gleichgewicht gefunden werde zwischen dem gestiegenen Bedarf an Arbeitskräften in Europa und dem Interesse der Herkunftsländer, nicht die besten Köpfe ins Ausland abwandern zu sehen.
Die afrikanisch-europäischen Beziehungen sollen sich künftig auf vier Bereiche konzentrieren: Friedenssicherung, Menschenrechte, regionale Handelsbeziehungen und klassische Entwicklungsziele wie Gesundheitswesen, Ausbildung, Infrastruktur. In einem Aktionsplan sollen diese Ziele in konkrete Partnerschaften übertragen werden, unter anderem eine Energiepartnerschaft, eine Wissenschaftspartnerschaft, eine Partnerschaft für Migration, Mobilität und Beschäftigung und eine zum Klimawandel. Um die ehrgeizigen Ziele zu erreichen, will man deutlich häufiger und auf allen Ebenen miteinander sprechen. Nicht nur die Chefs sollen in Kontakt bleiben, auch die Parlamentarier, die Mitglieder der Wirtschafts- und Sozialausschüsse und die Vertreter der Zivilgesellschaft. Sie sollen in Internetanhörungen ihre Meinung abgeben und im vor Gipfeltreffen stärker zu Wort kommen. Doch Reden allein dürfte nicht helfen. Die EU-Afrikapolitik muss sich aus alten Reflexen befreien und ihre Zersplitterung überwinden. Handelserleichterungen für die ärmsten Länder, Entwicklungszusammenarbeit, Welthandelsrunde - es wird ein gewaltiges Stück Arbeit, daraus Politik aus einem Guss zu machen. Auch die Zersplitterung innerhalb der Afrikanischen Union und die unterschiedlichen Ansätze der EU-Staaten gegenüber bestimmten Regionen Afrikas müssen überwunden werden. 2009 will man sich wiedertreffen, um zu sehen, welche Fortschritte erreicht worden sind. Man darf gespannt sein, ob Robert Mugabe dann noch immer im Amt ist und die Diplomaten in Verlegenheit bringt.