JUGENDMEDIENWORKSHOP
Nachwuchsjournalisten loten eine Woche lang das Spannungsfeld von Politik und Lobbyismus aus
Jetzt, da es bereits früh dunkel wird, lässt sich gut von außen erkennen, in welchen Räumen des Bundestages gearbeitet wird. Im Paul-Löbe-Haus herrscht auch zu später Stunde reges Treiben. Im Sitzungssaal 4.700 brennt Licht, jeder der kreisförmig angeordneten Stühle ist besetzt. Doch hier tagt kein Ausschuss - hier haben es sich Jugendliche aus ganz Deutschland in den Lederstühlen bequem gemacht. Die 40 jungen Medienmacher in spe zwischen 16 und 22 Jahren nehmen am Jugendmedienworkshop des Deutschen Bundestags teil. Eine Woche lang tauchen sie ein in das medienpolitische Leben der Hauptstadt, reden mit Journalisten und löchern Politiker mit Fragen. Wo sonst kein Reinkommen ist, öffnet der rote Presseausweis des Bundestages Türen - etwa zu den Plenarsitzungen oder den Büros der Hauptstadtjournalisten - die im Normalfall verschlossen bleiben.
Geschlossene Türen lautlos öffnen - das könnte auch eine Stellenbeschreibung für die Heerscharen von Lobbyisten sein, die in Berlin hinter den Kulissen arbeiten. Von knapp 15.000 Interessengruppen in Deutschland haben etwa 1.000 ein Büro in Berlin. Knapp 2.000 sind in der Verbändeliste des Bundestages registriert. Parlamentarische Demokratie scheint ohne die Einbindung von Verbänden nicht zu funktionieren. Genau in diesem Spannungsfeld bewegt sich der Jugendmedienworkshop 2007, der unter dem Motto "Die Wahrsager. Medien, Politik, Lobbyismus" steht. Bereits zum fünften Mal haben die Jugendpresse Deutschland, der Bundestag und die Bundeszentrale für politische Bildung nach Berlin eingeladen. Neben Diskussionen mit Politikern und Journalisten sollte dabei auch das Schreiben nicht zu kurz kommen: In der Veranstaltungszeitung "politikorange", die in den langen Nächten während des Workshops entsteht, schreibt jeder Teilnehmer einen Beitrag.
Die 18-jährige Laura Benning ist aus Metelen bei Münster nach Berlin gekommen. Für die "politikorange" hat sie Gerhard Hofmann, den ehemaligen Leiter des RTL-Hauptstadtstudios interviewt. Einen Tag später blickt sie hinter die Kulissen des ARD-Morgenmagazins. Dafür muss die Gymnasiastin früh aufstehen: Schon um 6.30 Uhr wird sie von ARD-Korrespondent Werner Sonne im Hauptstadtstudio begrüßt. Statt beim Religionsunterricht sitzt Laura an diesem Mittwochmorgen wenig später im Café Einstein, mitten im Herzen des politischen Berlins. Dass Lobbyismus zum politischen Alltag Berlins gehört, ist dort augenfällig. In der "Lobbykiste Berlins", wie Werner Sonne das Café Einstein nennt, treffen sich die führenden Köpfe der Hauptstadtszene und jene, die sich dafür halten.
Heute frühstückt Sonne mit Familienministerin Ursula von der Leyen - beobachtet von zwei Kameras und der Schülerin aus dem Münsterland. "Es ist schon komisch, neben Leuten zu stehen, die man nur aus dem Fernsehen kennt", sagt sie. Um 9 Uhr ist Laura Benning zurück im Hauptstadtstudio. Nach der Redaktionskonferenz bleibt nun auch Zeit, den Fernsehprofi Sonne zu interviewen. Als erstes will die Nachwuchsjournalistin von Werner Sonne wissen, wie er es schaffe, objektiv zu berichten, obwohl er doch bei seiner Arbeit auf den engen Kontakt mit den Politikern angewiesen sei. "Das ist ein schwieriger Spagat aus Nähe und Distanz", sagt der Hauptstadtjournalist. Die innere Unabhängigkeit sei das wichtigste Gut der Journalisten. "Deswegen bin ich nicht Mitglied einer Partei und verzichte auf Kumpanei mit Politikern." Die immer wieder heraufbeschworene Gefahr des Lobbyismus teilt Sonne nicht. Zwar hätten Lobbygruppen ein enormes Gewicht in Berlin. In einer Demokratie sei es aber legitim, dass Verbände und Organisationen der Politik ihre Interessen erläutern und versuchen, diese durchzusetzen.
Der Blick hinter die Kulissen der Hauptstadtpolitik hat bei Laura Benning nachhaltigen Eindruck gemacht. Dem ersten Besuch in Berlin sollen weitere folgen - vielleicht bei einer ähnlichen Veranstaltung im kommenden Jahr.