Spurensuche
Eine deutsch-afrikanische Familiengeschichte
Würde der junge schwarze Mann - in liebevoller Umarmung mit einer jungen weißen Frau - eine Uniform der Bundeswehr tragen, dann würde ihm wohl kaum jemand größere Beachtung schenken. Vielleicht wäre das Bild mit "Deutsche Normalität" betitel. Längst dienen in den deutschen Streitkräften Migranten aus den verschiedensten Ländern. Und Liebesbeziehungen zwischen Schwarz und Weiß sind auch nicht erst seit Heidi Klum und ihrem Seal gesellschaftsfähig. Doch der Soldat trägt eben keine Bundeswehruniform, sondern die blaurote Uniform der Armee des kaiserlichen Deutschlands. Und dieser Anblick macht dann doch stutzig.
Das ungewöhnliche Ölgemälde des Malers Emil Doerstling aus dem Jahr 1890 wurde zum Ausgangspunkt für eine Spurensuche nach den Urspüngen dieses Bildes, auf die sich der Historiker Gorch Pieken und die Autorin Cornelia Kruse begeben haben. Herausgekommen ist eine erstaunliche Familiengeschichte über fünf Generationen. Aber auch ein Sittengemälde der deutschen Gesellschaft in den vergangenen 150 Jahren und eine Geschichte über den sich wandelnden Umgang mit Menschen einer anderen Hautfarbe.
Die Geschichte beginnt mit der Reise des preußischen Prinzen Albrecht nach Ägypten im Jahr 1843 und endet im Deutschen His-torischen Museum in Berlin, wo das "Preußische Liebesglück" - so lautet der Titel des Gemäldes - seit dem Jahr 1992 zu bestaunen ist. Sie beginnt mit einem kleinen Sklavenjungen aus Nubien namens Sabac el Cher - später wird er auf die Vornamen August Albrecht getauft -, der dem Prinzen vom ägyptischen Vizekönig Mehmed Ali zum Geschenk gemacht wird, und endet bei Axel und Angela Sabac el Cher.
"Die afrikanischen Wurzeln sieht man weder Axel noch seiner Tochter Angela an", schreiben Gorch Pieken und Cornelia Kruse zum Ende ihres Buches. "Die promovierte Betriebswirtin ist die letzte Trägerin des illustren Namens Sabac el Cher. Die ganze Polemik von mehr als 100 Jahren, die das Leben der früheren Generationen der Familie begleitet hatte, beweist hier ihre Absurdität: Es gibt weder schwarz noch weiß, es gibt nur unendlich viele Geschichten." Und diese Geschichten hat das Autorenduo glänzend recherchiert und spannend erzählt.
Gorch Pieken, Cornelia Kruse:
Preußisches Liebesglück. Eine deutsche Familie aus Afrika.
Propyläen Verlag, Berlin 2007; 271 S., 24 ¤