Maria Böhmer
Die Integrationsbeauftragte im Gespräch
Mit der Islamkonferenz will Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble das Verhältnis zu den Muslimen in Deutschland auf eine neue Basis stellen. Wie werten Sie die bisherigen Ergebnisse?
Zunächst einmal ist es ein großer Erfolg, dass die Deutsche Islamkonferenz stattfindet. Wir reden nicht mehr übereinander, sondern miteinander - das ist doch die wichtigste Bedingung für eine Verständigung. Dabei geht es um grundlegende Fragen des Zusammenlebens in unserem Land, um die Anerkennung gemeinsamer Werte und Normen gemäß unserem Grundgesetz und unserer gesamten Rechtsordnung, auch um die wichtige Frage der Gleichberechtigung von Frauen und Mädchen. Daraus leiten sich weitere Fragen ab, zum Beispiel die Ausbildung islamischer Religionslehrer und Imame, islamischer Religionsunterricht an Schulen, die Teilnahme von Mädchen am Sportunterricht und an Klassenfahrten. All diese Fragen bedürfen einer gründlichen und intensiven Diskussion, hier kann es keine schnellen und einfachen Antworten geben.
Im Zuge der Konferenz hat sich in Deutschland eine Dachorganisation verschiedener muslimischer Organisationen gegründet. Fluch oder Segen?
Grundsätzlich ist es zu begrüßen, wenn sich Muslime auf Bundesebene organisieren und mit einer Stimme sprechen wollen. In dem Koordinierungsrat der Muslime haben sich vier Verbände zusammengeschlossen, in denen allerdings nach Schätzungen nur etwa 10 bis 15 Prozent der rund 3,5 Millionen in Deutschland lebenden Muslime als Mitglieder organisiert sind. Mich hat irritiert, dass eine der ersten Forderungen dieses Koordinierungsrates war, muslimische Eltern zu unterstützen, wenn sie ihre Töchter nicht am Sport- und Schwimmunterricht teilnehmen lassen wollen. Das wirft die Frage auf, ob in diesem Koordinierungsrat vor allem traditionalistische Strömungen vertreten sind. Gerade viele aufgeschlossene Muslime, die sich für Aufklärung und Gleichberechtigung einsetzen, fühlen sich durch den Koordinierungsrat nicht angemessen repräsentiert.
In einigen Kommunen sollen Moscheen gebaut werden, gegen die es Bürgerproteste gibt. Wie stehen Sie zu den Neubauplänen?
Im Rahmen der geltenden Gesetze können Muslime selbstverständlich bei uns Moscheen bauen. Das ist auch ein Ausdruck der Religionsfreiheit. Wichtig ist, dass der Bau von Moscheen gut vorbereitet und die Bevölkerung von Anfang an einbezogen wird - dann entstehen auch weniger Ängste. In Duisburg-Marxloh, wo die bislang größte Moschee Deutschlands entstanden ist, hat das funktioniert. Hier fand von Beginn an ein offener Austausch zwischen den Mitgliedern der benachbarten katholischen und der islamischen Gemeinde statt, die Kirche hat sogar eine Kollekte für den Bau der neuen Moschee gespendet. Die Moschee beheimatet auch eine interreligiöse Begegnungsstätte mit Bibliothek, Bildungswerk und Besucherräumen.
Der EKD-Vorsitzende, Bischof Wolfgang Huber, hat davor gewarnt, "dass mit den Moscheebauten auch Machtansprüche an Bedeutung gewinnen". Ist der Islam auf dem Vormarsch?
Der Islam ist die drittgrößte Religionsgemeinschaft in Deutschland. Damit ist der Islam in unserem Land angekommen. Mit dieser Situation müssen wir uns auseinandersetzen - nicht nur der Staat, sondern die gesamte Gesellschaft.
Gehört an die Schulen verpflichtender Islamunterricht?
Es gibt einige vielversprechende Modellprojekte mit islamischem Religionsunterricht an staatlichen Schulen, darauf sollten wir aufbauen. Die Zuständigkeit dafür liegt bei den Ländern. Wir sind uns einig, dass dieser Unterricht auf deutsch stattfinden muss, dass wir dafür in Deutschland ausgebildete Lehrkräfte brauchen und dass der Islam-unterricht an deutschen Schulen selbstverständlich den gleichen Regeln unterliegt, wie sie für jeden Religionsunterricht gelten.
Im Grundsatzprogramm der CDU ist von "Leitkultur" die Rede, an die sich auch Muslime halten sollen. Wie passt dieser Begriff zu einem Einwanderungsland?
Unsere Leitkultur basiert auf Werten, die unserer Geschichte als europäische Nation entstammen und die in unser Grundgesetz eingegangen sind: die Unantastbarkeit der Würde jedes Menschen, das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Gleichheit der Rechte aller Bürger, die Anerkennung verschiedener Lebensentwürfe, der Respekt vor der Freiheit des religiösen Bekenntnisses. Aus unserem christlichen Menschenbild folgt, dass für uns die Würde aller Menschen gleich ist, unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Nationalität, Alter, religiöser und politischer Überzeugung und vom Urteil anderer. Unser Leitbild für Deutschland ist die Chancengesellschaft, wir wollen den sozialen Aufstieg auch für diejenigen, die bisher davon ausgeschlossen waren. Jeder muss sich frei entfalten und am sozialen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben teilhaben können. Ich fnde, das passt alles sehr gut zum Integrationsland Deutschland!