Als Bundeskanzlerin Merkel verkündete, Deutschlands Teilnahme an den UNIFIL-Truppen im Libanon diene dem Schutz Israels, wurde die arabische Welt in Unruhe versetzt. Diese Aussage verstand man als Bruch mit der Außenpolitik unter Bundeskanzler Gerhard Schröder. Die aktive Diplomatie der rot-grünen Bundesregierung im Nahen Osten und die "mutige Haltung" Schröders, der es abgelehnt hatte, sich vom amerikanischen Präsidenten George W. Bush in den Irak-Krieg ziehen zu lassen, hatten ein positives Bild in der arabischen Welt hinterlassen. Dies beschränkte sich nicht auf die Haltung des "kleinen Mannes auf der Straße", sondern umfasste auch die Regierungseliten, die Saddam Hussein zwar verabscheuten, gleichzeitig aber nicht davon angetan waren, ihn militärisch vom Thron zu stürzen. Mit dieser Politik der Ära Schröder veränderte sich das stereotype Bild von Deutschland. Bis dahin war die Bundesrepublik als ökonomisch stark, politisch jedoch eher schwach betrachtet worden.
Die arabische Welt hat ein besonderes Interesse an Europa - gerade als Gegenpol zu den Vereinigten Staaten, dessen kulturelle Vereinnahmung sie befürchten. Denn selbst das Französische in den ehemals frankophonen Staaten wie Libanon und Tunesien ist zugunsten der Ausbreitung der englischen Sprache auf dem Rückzug. Umso bedauerlicher ist es, dass die neu gegründeten deutschen Universitäten, die in letzter Zeit in einigen arabischen Staaten ihre Tore geöffnet haben, dennoch ihren Unterricht hauptsächlich auf Englisch durchführen.
Auf der politischen Ebene stellt die europäische Haltung im arabisch-israelischen Konflikt ein Gegengewicht zur Haltung der USA dar, die Israel geradezu blind unterstützen. Auch die geografische Nähe Europas zur arabischen Welt verstärkt die Bindung der arabischen Eliten an Europa und erzeugt bei diesen die Hoffnung, dass Europa ihre Probleme versteht.
Der gute Ruf speziell Deutschlands resultiert nicht nur aus Schröders Ablehnung des Irak-Krieges, sondern hat weit zurückliegende Wurzeln. So hat Deutschland im Gegensatz zu Großbritannien und Frankreich in der arabischen Welt keine kolonialistische Vergangenheit. Und vielleicht hat gerade dieser Umstand lange Zeit eine gewisse Verwirrung innerhalb der arabischen Welt ausgelöst, denn die aufsteigenden arabischen nationalistischen Eliten hatten sich vom nationalsozialistischen Deutschland durchaus angezogen gefühlt, weil sie glaubten, dass dieses Deutschland ihnen dabei helfen würde, sich vom Joch der französischen und britischen Kolonisation zu befreien. In der Nachkriegsära dann veränderte sich dieses Bild durch die differenzierte Kulturpolitik der Bundesrepublik.
Je stärker Deutschland sich in der arabischen Welt engagiert, desto stärker wird seiner Rolle nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht dort Rechnung getragen. Deutschland ist eine starke Nation mit eigenen Interessen, und die arabischen Staaten sind sich dessen sehr bewusst. Deshalb sollte Deutschland seine Rolle in der arabischen Welt sehr ernst nehmen.