1871 bis 1918: Kaiserreich und Reichstag
Nach dem Sieg über die französische Armee wurde das Deutsche Reich ausgerufen und der preußische König zum deutschen Kaiser proklamiert.
Die Verfassung des Norddeutschen Bundes wurde ohne größere substantielle Änderungen auf das Reich übertragen.Damit galt auch hier ein allgemeines, gleiches, geheimes und direktes Männerwahlrecht nach dem Mehrheitswahlsystem. Grundsätzlich besaßen alle deutschen Männer über 25 Jahre das aktive und passive Wahlrecht, sofern sie vom Wahlgesetz nicht ausdrücklich von der Teilnahme an den Reichstagswahlen ausgeschlossen wurden. Frauen durften hingegen nicht wählen.
Die Wahlkreise waren anfänglich in etwa gleich groß und umfassten ca. 100.000 Wähler. Allerdings blieb die ursprüngliche Wahlkreiseinteilung bis 1918 unverändert. Wegen massiver Bevölkerungsverschiebungen während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (Ost-West-Wanderung; Landflucht) entstand gemessen an den jeweiligen Wählerzahlen ein immer größeres Ungleichgewicht zwischen den Wahlkreisen. In dünn besiedelten ländlichen Regionen benötigte man demzufolge für die Wahl zum Reichstagsabgeordneten erheblich weniger Stimmen als in industriellen Ballungszentren