Ausschuss für die Angelegenheiten der
Europäischen Union
Berlin: (hib/WOL) In einer gemeinsamen öffentlichen Sitzung
des Europaausschusses mit 13 Mitgliedern der
Délégation pour l'Union Européenne der
französischen Nationalversammlung haben Parlamentarier beider
Nationen am Mittwochnachmittag die mangelhafte Unterstützung
der Medien zur Beteiligung der Bürger an der Gestaltung
Europas beklagt. Im Mittelpunkt dieses Teils der Debatte stand die
Ratifizierung der Verfassung für Europa und die
Fortführung der so genannten Lissabon-Strategie. Während
in Frankreich auf Wunsch aller Parteien, so Ausschussvorsitzender
Pierre Lequiller, die Bevölkerung in einem Referendum
über eine Ratifizierung der Europäischen Verfassung
abstimmen soll, gibt es für den Ausschussvorsitzenden Matthias
Wissmann (CDU/CSU) und die Sprecher der Fraktionen keinen Zweifel
an der Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat für
die Ratifizierung. Auch die Zustimmung Frankreichs durch das Votum
der Abgeordneten wäre laut Lequiller kein Problem, da sich
anlässlich des Parlamentsbeschlusses zum Referendum 760
Delegierte der Französischen Nationalversammlung für und
nur 66 gegen die Annahme der Europäischen Verfassung
ausgesprochen hätten. Nun aber gelte es, "dass unser
‚Ja' auch gewinnt", sagte Lequiller. Ein Vertreter der
französischen UMP-Fraktion beklagte dabei die fast vertane
Chance, mit dem Referendum eine einmalige Lehrstunde für
Europa erreichen zu können. Kaum ein Bürger wisse, dass
die Lissabon-Strategie mit den Schwerpunkten Beschäftigung und
Wettbewerb darauf abziele, bis zum Jahr 2010 Europa zum weltweit
stärksten Wirtschaftsblock zu machen. Auch sei kaum jemandem
bekannt, dass "Bologna" für die europaweite Harmonisierung von
Schulabschlüssen, Sicherheitsmaßnahmen und die
Bekämpfung von Menschenschmuggel stehe. Die Vertreterin der
französischen Sozialisten ergänzte, die Medien
würden sich statt über inhaltliche Aspekte des
Verfassungsvertrages zu berichten, viel lieber den Streitigkeiten
zwischen den Parteien widmen, obwohl deren positive
Übereinstimmung zur EU-Verfassung beeindruckend sei. Im
Übrigen seien Referenden für die französische
Demokratie nicht ungewöhnlich. Das habe mit der Charta der
Grundrechte vor über 200 Jahren begonnen, sei mit dem Votum
der Bevölkerung für eine Europäische Union
weitergegangen und finde nun seine Fortführung in dem
Referendum zur EU-Verfassung. Der Vertreter der SPD betonte, auch
die Zustimmung der deutschen Parlamentarier zur EU-Verfassung
entbinde diese keineswegs von ihrer Informationspflicht
gegenüber den Bürgern. "Wir müssen dafür
werben", sagte er. Die CDU/CSU verwies darauf, die Europäische
Union und nun die EU-Verfassung seien zwar seit Anbeginn ein
deutsch-französisches Projekt gewesen. Es gelte aber nun, die
Rolle der anderen Mitgliedstaaten viel stärker zu
berücksichtigen. Angesichts der Angst vor Unterhöhlung
der nationalen Identität sei die in der EU-Verfassung
verankerte Stärkung der nationalen Parlamente und des
Subsidiaritätsprinzips besonders zu betonen. Von der Union kam
auch die Mahnung, mit einem Scheitern der Verfassung würden
nicht nur bisherige Erfolge, sondern auch die künftige
Stärkung und Erweiterung Europas vor unlösbare Probleme
gestellt. Die französische UDF-Fraktion und auch die
Bündnisgrünen betonten, eine stärkere inhaltliche
Befassung der Bürger in den EU-Mitgliedstaaten sei
unabhängig vom "Ja" oder "Nein" zur Verfassung notwendig. Die
FDP unterstrich, auch sie hätte in Deutschland gern ein
Referendum gehabt. Aus ihrer Sicht hätte sich in Deutschland
mit einem Referendum die Chance ergeben, mit einer engagierten
Diskussion über das künftige Europa sehr viel näher
an die Bürger zu kommen. Weitere Diskussionspunkte der
gemeinsamen Sitzung waren der Entwurf einer
Dienstleistungsrichtlinie, die Finanzielle Vorausschau für die
Zeit von 2007 bis 2013 und die EU-Nachbarschaftspolitik.
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