Bundesaußenminister Joschka Fischer sieht eigene Versäumnisse
Berlin: (hib/CHE) Bundesaußenminister Joschka Fischer (Bündnis 90/ Die Grünen) hat eigene Versäumnisse im Zusammenhang mit dem massenhaften Visa-Missbrauch an Botschaften in Osteuropa eingeräumt. Vor dem Visa-Untersuchungsausschuss sagte er am Montagvormittag: "Ich hätte mich früher informieren und früher eingreifen sollen. Das ist mein Versäumnis, diesen Fehler muss ich mir vorhalten." Er formulierte dies im Zusammenhang mit den Entwicklungen an der deutschen Botschaft in Kiew. Darüber sei er im Juni 2000 erstmals informiert worden: "Allerdings haben wir das zunächst als Personal- und Ressourcenproblem betrachtet. Das war ein Fehler." Als Hauptgrund dafür nannte er "die mangelnde Kommunikation nach oben und zwischen den einzelnen Fachreferaten" des Auswärtigen Amtes (AA). Fischer betonte jedoch, dass dieses Problem mittlerweile gelöst sei. Es sei ein "Frühwarnsystem" installiert worden, in dessen Rahmen 40 als kritisch eingestufte Auslandsvertretungen vierteljährlich Berichte nach Berlin schickten. Außerdem sei ein dichtes Netz von Dokumentenberatern installiert worden, um solche Missstände in Zukunft zu vermeiden.
Joschka Fischer verteidigte zugleich den so genannten Volmer-Erlass, mit dem im März 2000 die Visa-Einreisebestimmungen liberalisiert worden waren: "Dieser Erlass kann niemals als die Ursache der Zustände in Kiew angesehen werden." Verantwortlich dafür seien vielmehr das Reisebüroverfahren, der Reiseschutzpass und Mängel bei der Bonitätsprüfung. Das jedoch, so der Minister, seien keine Erfindungen der rot-grünen Bundesregierung gewesen. "Ich will hier keine Verantwortung abschieben. Es geht mir darum, die Kontinuitäten aufzuzeigen." In diesem Zusammenhang kritisierte er eine "Skandalisierung" der Missstände: "Ich habe den Kollegen Kohl und Kinkel nichts vorzuwerfen. Aber tun Sie doch nicht so, als hätte Rot-Grün hier eine neue Realität geschaffen", wandte er sich an die parlamentarische Opposition. Fischer verwies auf den Transformationsprozess in Osteuropa, der die Visapolitik der westeuropäischen Staaten schon seit 1989 vor neue Herausforderungen stelle. Dieser Prozess müsse weiter unterstützt werden, denn "wir können uns schwarze Löcher in unserer Umgebung nicht leisten". Er verwies dabei auf die Ukraine: "Die orangene Revolution wäre ohne die Öffnung der Grenzen nicht möglich gewesen." Fischer kritisierte außerdem die Verengung der Diskussion auf den Satz "im Zweifel für die Reisefreiheit". Es sei um die Bewältigung eines "enormen Spannungsfeldes" zwischen Reisfreiheit auf der einen und Sicherheitsrisiken auf der anderen Seite gegangen.
Auf die Frage der Union, wie denn genau eventuelle Versäumnisse der Mitarbeiter des AA ausgesehen hätten, antwortete Fischer. "Es ist nicht meine Aufgabe, hier solche Schuldzuweisungen vorzunehmen. Das ist Sache des Untersuchungsausschusses." Der Außenminister verteidigte aber die Beamten: "Die Mitarbeiter haben nur das Beste gewollt. Ich kann keinem Mitarbeiter etwas Böses unterstellen. Es ging darum, ein Problem zu lösen." Auch die Kritik an seiner mangelnden Leitungsfähigkeit ließ er nicht gelten. Das Auswärtige Amt habe es in den vergangenen Jahren mit einer Vielzahl von Problemen wie dem Kosovo-Krieg, den Terroranschlägen des 11. September 2001 oder auch der Tsunami-Katastrophe zu tun gehabt. "Da können Sie nicht an dem einen Punkt beweisen wollen, dass das Ministerium nicht funktioniert", verteidigte sich Fischer.
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