Experten streiten um Straftatbestand "Sportbetrug"
Berlin: (hib/HAU) Unterschiedliche Auffassungen gibt es unter Experten in der Frage, ob dopende Sportler zukünftig strafrechtlich verfolgt werden sollen. Dies wurde während einer öffentlichen Anhörung des Sportausschusses am Mittwochnachmittag deutlich. Während die Befürworter einer strafrechtlichen Verfolgung sich von diesem Schritt sowohl eine abschreckende Wirkung als auch effektivere Ermittlungen erwarten, warnen die Kritiker vor verfassungsrechtlichen Problemen und einer "Kriminalisierung" der Sportler.
Thomas Bach, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), plädierte dafür, sich auf juristisch machbare und wirkungsvolle Maßnahmen zur Erhöhung der Effektivität des Kampfes gegen Doping zu konzentrieren. Die Einführung eines Straftatbestandes "Sportbetrug" sei in diesem Zusammenhang rechtlich problematisch und praktisch nicht zielführend. Bach sprach sich hingegen für "gezielte Prävention" bei Sportlern aus, die sich aber auch auf alle jungen Menschen insgesamt beziehen müsse. Außerdem regte er die Einrichtung von Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften an, um die unverkennbaren Vollzugsdefizite bei der Ermittlung von Straftaten im Zusammenhang mit Doping zu verbessern. Chancengleichheit und Sauberkeit im sportlichen Wettkampf, so Rechtsanwalt Christian Krähe aus Konstanz, könne auch ein Anti-Doping-Gesetz nicht gewährleisten. Zu befürchten sei eher das Gegenteil. Da die Intensität und Effizienz der Kontrollen international gesehen sehr unterschiedlich ausgeprägt seien, müsse mit Wettbewerbsverzerrungen gerechnet werden. In der Folge könnten ausländische Sportler sich weigern in Deutschland anzutreten. Auch sei zu erwarten, dass bedeutende Sportveranstaltungen gar nicht mehr nach Deutschland vergeben werden, wenn Athleten befürchten müssten, prozessualer Verfolgung ausgesetzt zu sein. Professor Hans Kudlich von der Universität Erlangen erläuterte die Schwierigkeit, Rechtsgüter zu finden, die für die Einführung des Straftatbestandes "Sportbetrug" geeignet seien. Weder die Gesundheit der Sportler noch ethische Begriffe wie Fairness oder der Vermögensschutz für Veranstalter kämen da in Frage.
Der Vorsitzende der Medizinischen Kommission des Internationalen Olympischen Komitees, Professor Arne Ljungvist aus Schweden, berichtete von seinen Erfahrungen mit dem schwedischen "Gesetz gegen bestimmte Dopingsubstanzen". Dieses diene nicht der zusätzlichen Bestrafung der gedopten Sportler, sondern der strafrechtlichen Verfolgung und Bestrafung von Händlern der Dopingpräparate. Der Sportler selber werde hingegen entsprechend der vom Sport entwickelten Anti-Doping Regeln bestraft. Professor Helmut Digel von der Universität Tübingen sieht den Sport mit seinen eigenen Untersuchungsverfahren als "überfordert" an. Wolle der Sport den entscheidenden Schritt im Kampf gegen Doping tun, benötige er staatliche Hilfe. Dazu sei ein Anti-Doping-Gesetz, welches den dopenden Sportler als Täter sehe und ihn mit strafrechtlichen Sanktionen drohe, gut geeignet. Markus Hauptmann, Vorstandsmitglied der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA), sieht ebenfalls die Ermittlungsmöglichkeiten der Sportgerichtsbarkeit als unzureichend an. Um international agierende Dopingnetzwerke auszuheben, benötige man die Unterstützung von Polizei und Staatsanwaltschaft. Die sportgerichtlichen Sanktionsverfahren würden davon weder berührt noch behindert. Die Autonomie des Sports, so der ehemalige Profiradrennfahrer Jan Schur aus Leipzig, habe sich für eine wirklich effektive Dopingbekämpfung als völlig unzureichend erwiesen. Daher fordere er eine umfassende Neuregelung in Form eines Anti-Doping-Gesetzes nach dem Vorbild anderer europäischer Staaten.
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