Kritik an Plänen der Koalition zur Entschuldung der Krankenkassen
Berlin: (hib/MPI) Die zusammen mit der Reform des Vertragsarztrechts geplanten Neuregelungen zur Entschuldung der Krankenkassen stößt vor allem bei den Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) auf massiven Widerspruch. In einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses sagte der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Hans-Jürgen Ahrens, am Montag: "Die vorgesehene Frist, in der entschuldet werden soll, ist nicht zu erreichen, ohne die Wettbewerbsfähigkeit der AOK zu unterbinden." Er forderte, die Frist, in der entschuldet werden muss, um mindestens ein Jahr auf Ende 2008 zu verlängern. Ansonsten könnten einige AOK keine wettbewerbsfähigen Beitragssätze mehr anbieten. Ahrens rechnete damit, dass die geplante Regelung zu einer Beitragserhöhung von durchschnittlich einem Punkt im Westen und zwei Punkten im Osten führen werde.
Der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zum Gesetzentwurf über die Reform des Vertragsarztrechts ( 16/2474) verpflichtet die Bundesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen zu Satzungsänderungen bis zum 31. Dezember 2007. Die neuen Bestimmungen sollen die Gewährung finanzieller Hilfen in besonderen Notlagen einer Krankenkasse ihrer Kassenart (also beispielsweise einer AOK) oder zur Erhaltung deren Wettbewerbsfähigkeit vorsehen sowie die Entschuldung der Kassen bis Ende 2007 sicherstellen. In der Begründung verweisen die Koalitionspartner ausdrücklich auf die geplante Gesundheitsreform. Zum Start des Gesundheitsfonds Anfang 2009 müssten "alle Krankenkassen unter den gleichen Voraussetzungen in das neue Wettbewerbssystem starten können", heißt es. Deshalb sei eine termingerechte Entschuldung noch verschuldeter Kassen notwendig.
Die Satzung hat dem Koalitionsantrag zufolge zu bestimmen, in welchem Umfang eine um finanzielle Hilfe nachsuchende Kasse ihren allgemeinen Beitragssatz anheben muss. Außerdem soll bei der Aufteilung der Hilfezahlungen die unterschiedliche Leistungsfähigkeit der Kassen einer Kassenart "angemessen" berücksichtigt werden. Die Satzungsbestimmungen über die Hilfeleistungen sollen künftig "mit der Mehrheit der bei der Beschlussfassung anwesenden Mitglieder gefasst werden". Schließlich wird die bisherige Regelung abgeschafft, wonach Krankenkassen an der Finanzierung einer Hilfe für eine Krankenkasse in Not nicht teilnehmen müssen, falls ihr Landesverband der Hilfegewährung nicht zugestimmt hat. Mit dem Änderungsantrag werden überdies die Krankenkassen, die Ende 2006 noch verschuldet sind, zur Vorlage eines Sanierungsplans verpflichtet, "aus dem sich ergibt, wie die Verschuldung bis zum 31. Dezember 2007 beseitigt werden soll". Die Einhaltung soll von der jeweiligen Aufsichtsbehörde überwacht werden.
Der Präsident des Berliner Verfassungsgerichtshofes, Professor Helge Sodan, kritisierte, die Änderungsanträge hätten keinen Bezug zum Vertragsarztrecht und damit zum eigentlichen Gesetzentwurf. Offenbar gehe es darum, die Regelung bereits zum 1. Januar 2007 statt mit der Gesundheitsreform zum 1. April 2007 in Kraft treten zu lassen. In der Anhörung sagte Sodan, die geplante Neuregelung führe zu einer Benachteiligung sparsamer Kassen. Er forderte, bevor Mitglieder einer schuldenfreien Kasse zur Entschuldung einer anderen Kasse beitragen, müsse die verschuldete Kasse Immobilienbesitz veräußern, ihre Beitragssätze anheben und ihre Personalstruktur verschlanken. Im Antrag der Koalition würden die Gründe, die zur Verschuldung einer Kasse geführt hätten, nicht genügend berücksichtigt; so könnte beispielsweise ein Betriebskrankenkasse aus Wettbewerbsgründen einen viel zu niedrigen Satz angeboten haben. Es sei für die Mitglieder schuldenfreier Kassen mit höheren Sätzen "nicht zumutbar", nun für die Managementfehler anderer Kassen bezahlen zu sollen. Ähnlich äußerte sich der Finanzvorstand der Techniker Krankenkasse, Bodo Holzmann. Die jetzt geplante Entschuldungsregelung sei "zu Ungunsten der sparsamen Kassen" angelegt.
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