Kroes unterstreicht Forderung nach Entflechtung der Energiekonzerne
Berlin: (hib/VOM) EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes hat sich am Freitagmittag im Wirtschaftsausschuss mit großem Nachdruck für eine rechtliche Entflechtung der Energiekonzerne in der EU ausgesprochen. Sie begründete dies mit überhöhten Energiekosten für Wirtschaft und Verbraucher. So sei in Deutschland der Großhandelspreis für Strom zehn Prozent niedriger als in Großbritannien. Dennoch müssten die deutsche Industrie für den Strom 25 bis 30 Prozent und die Privatkunden 31 Prozent mehr bezahlen als in Großbritannien. 33 Prozent der EU-Bürger würden einer Umfrage zufolge hohe Energiepreise als eines ihrer Hauptprobleme bezeichnen, in Deutschland seien es sogar 46 Prozent.
Trotz der Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte funktioniert der Wettbewerb nach Auffassung der Kommissarin nicht richtig. Um für die Verbraucher echte Wahlmöglichkeiten zu schaffen, benötigten neue Anbieter Zugang zu den Netzen und den Kunden. So lange dieser Zugang blockiert sei, werde kein Akteur Geld investieren wollen. Fairen Wettbewerb könne es aber nur mit neuen Akteuren geben. Die Entflechtung der Netz- und Versorgungsaktivitäten sei unzureichend, sagte Kroes. Auch gebe es zu wenig grenzüberschreitenden Wettbewerb. Der Markt auf dem Energiesektor sei nicht transparent. Ohne einen funktionierenden Markt könne es zu Versorgungsschwierigkeiten kommen. Es reiche nicht, nur den Wettbewerb zu schützen, man müsse auch beim rechtlichen Rahmen "einen Schritt nach vorne gehen". Es müsse klar sein, so die Niederländerin, dass nicht jedes Land und jedes Energieversorgungsunternehmen seinen eigenen Weg als Monopolist gehen kann. Das jetzige System funktioniert nach Auffassung der Kommissarin nicht. Kroes sprach sich dagegen aus, weiterhin von staatlicher Seite zu regulieren, um "das Problem zu übertünchen". Man müsse dessen Kern angehen. "Die Zeit des Wartens ist vorbei", bekräftigte Kroes ihren Standpunkt. Die Probleme durch Regulierung zu lösen, würde immer zu lange dauern. "Wir brauchen die volle rechtliche Trennung, die Entflechtung der Unternehmen", sagte die Kommissarin weiter.
Zustimmung erhielt sie von Seiten der Linksfraktion und der Grünen. Die Konzerne hätten ihre Netze mit Monopolgewinnen erwirtschaftet, hieß es von der Linksfraktion. Die Bundesregierung sei aufzufordern, nicht gegen die Mehrheit der anderen EU-Länder Politik zu machen und die Entflechtung zu blockieren. Die Grünen begrüßten die Initiative der Kommissarin, "auch in ihrer Schärfe". Fairer Wettbewerb bedeute Zugang zu den Netzen. Die FDP zeigte sich einig mit der Kommissarin in der Einschätzung, dass der Wettbewerb gestärkt werden müsse. Allerdings lag ihr die Betonung zu sehr auf der Eigentümerentflechtung. In Deutschland befänden sich die Netze in Privateigentum, während sie in anderen Ländern im Staatsbesitz sei. Bei einer Eigentümerentflechtung würden die Unternehmen wegen "Enteignung" klagen. Lange Rechtsstreitigkeiten würden dazu führen, dass es keine Rechtsicherheit gibt. Dies würde die Herstellung von Wettbewerb eher verzögern, so die FDP.
Widerspruch erntete Kroes aus der Unionsfraktion, die daran erinnerte, dass die Regulierungsbehörde im vergangenen Jahr die Netzgebühren um fast 2 Milliarden Euro gekürzt habe. Eine Eigentümerentflechtung gegen den Widerstand der Inhaber sei gar nicht möglich. Stattdessen sollte man sich lieber darauf konzentrieren, zusätzliche Akteure an den Markt zu bringen, sie zu unterstützen und neue Leitungen zur Verfügung zu stellen. Man müsse mit den "vorhandenen Strukturen" fertig werden, so die Union. Nach Auffassung der SPD hat Kroes gezeigt, wie "wichtig die EU ist, weil die Mitgliedstaaten die Probleme nicht allein lösen können".
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