1. Untersuchungsausschuss/
Berlin: (hib/KOS) Nach Einschätzung von Bruno Jost gab es
vermutlich einen Zusammenhang zwischen der auf Weisung des
Justizministeriums im Juli 2002 verfügten Einstellung des
Verfahrens gegen zwei der Spionage angeklagte Syrer und dem Fall
des in Damaskus seit Ende 2001 nach seiner in Marrokko unter
US-Regie erfolgten Festnahme eingekerkerten Deutsch-Syrers Mohammed
Haydar Zammar. Eine offizielle Bestätigung für diesen
Zusammenhang habe es seinerzeit zwar nicht gegeben, so der
Bundesanwalt am Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss. Da
jedoch die Inhaftierung des Deutsch-Syrers wenige Wochen zuvor
bekannt geworden sei, habe er eine entsprechende Vermutung gehegt.
Der Zeuge erklärte, bei den Gesprächen vor der
Einstellung des Verfahrens gegen die beiden Agenten sei es nicht
darum gegangen, Damaskus zur Freilassung Zammars zu bewegen oder
ein Verhör des terroristischer Aktivitäten
verdächtigen Gefangenen durch deutsche Vernehmer zu
ermöglichen. Die These des FDP-Abgeordneten Max Stadler, dass
dann Syrien im Gegenzug zur Einstellung des hiesigen
Spionageverfahrens wohl Vernehmungsprotokolle zu Zammar
überlassen sollte, erörterten die Parlamentarier mit Jost
hinter verschlossenen Türen. Der Bundesanwalt betonte, bei den
angeklagten Syrern habe es sich um einen "schweren Fall" von
Agententätigkeit gehandelt. Eine von der Bundesregierung
angeordnete Verfahrenseinstellung habe er sonst noch nie erlebt.
Der Ausschuss soll aufklären, ob deutsche Behörden und
die Bundesregierung eine Mitverantwortung trifft für die
rechtswidrige Festnahme und Inhaftierung Zammars. In Deutschland
war im Herbst 2001 ein Ermittlungsverfahren gegen den Deutsch-Syrer
eingeleitet worden, weil er in die Attentate vom 11. September in
New York involviert gewesen sein soll. Doch reichten hierzulande
die Verdachtsmomente nicht zu einem Haftbefehl aus. Guido
Steinberg, zwischen 2000 und 2005 im Kanzleramt als Referent mit
internationalem Terrorismus befasst, bestätigte vor den
Abgeordneten ein Treffen mit dem damaligen Vizechef des syrischen
Militärgeheimdiensts, das Anfang Juli 2002 in der
Regierungszentrale stattfand. Bei dieser Begegnung sei es um eine
Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Terrorismus gegangen,
wobei die syrische Seite vor allem an der Freilassung der beiden
Agenten interessiert gewesen sei. Der Fall Zammar sei in
größerer Runde mit den Abgesandten aus Damaskus zwar
angesprochen, dann jedoch erst im persönlichen Gespräch
zwischen dem damaligen Geheimdienstkoordinator Ernst Uhrlau und dem
syrischen Geheimdienstler erörtert worden. Bei der
Vereinbarung mit den Syrern habe der Fall Zammar, zu dem keine
Abmachung getroffen worden sei, nur eine Nebenrolle gespielt. Ein
Angebot, den Gefangenen freizulassen, hätten die Syrer nicht
offeriert. Das später zustandegekommene Verhör Zammars
durch deutsche Vernehmer in Damaskus, so der Zeuge, sei im Zuge der
Kooperation bei der Terrorismusbekämpfung möglich
geworden. Diese Befragung habe jedoch keine wesentlichen
Erkenntnisse über terroristische Gefahrenquellen erbracht.
Steinberg erklärte, vor einer Zusammenarbeit mit Syrien ("Eine
ganz schlimme Diktatur") wegen der dort praktizierten
Menschenrechtsverletzungen gewarnt zu haben. Diese Problematik sei
im Kanzleramt durchaus gesehen und erörtert worden. Doch habe
die Auffassung vorgeherrscht, die sich durch eine Kooperation mit
Damaskus bietenden Chancen bei der Terrorbekämpfung zu nutzen.
Bei Zammar, der in einem "berüchtigten Gefängnis"
einsitze, sei von Folterungen auszugehen, auch wenn es keine
konkreten Beweise gebe, so der Zeuge: In Syrien sei bei Gefangenen
mit politischem Hintergrund Folter eher die Regel als die Ausnahme.
"Das stimmt wohl so": Mit diesen Worten kommentierte Steinberg die
von Stadler zitierte Aussage eines US-Geheimdienstlers, wonach die
Europäer über jeden ins Ausland gereisten
Terrorverdächtigen froh gewesen seien, weil sich dann dort die
USA um die Betreffenden kümmern würden. Der Zeuge
bezweifelte jedoch, ob dies auf Zammar zutreffe. Zwar
bestätigte Steinberg die Einschätzung von SPD-Obmann
Michael Hartmann, dass der Deutsch-Syrer als "Sicherheitsrisiko"
einzustufen gewesen sei. Doch sei von dem "bekennenden
Dschihadisten", der vom Al Qaida-Netzwerk nicht als
zuverlässig eingestuft und nur mit Rekrutierungsaufgaben
betraut worden sei, persönlich keine besondere Gefährdung
ausgegangen. Auch hätten die Sicherheitsbehörden
bezweifelt, ob Zammar tatsächlich in die Attentate vom 11.
September verwickelt gewesen sei.
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