Kanzleramt war über den Fall Khafagy informiert
Berlin: (hib/KOS) Über "Indizien für Menschenrechtsverletzungen" seitens der US-Militärs in Bosnien gegenüber dem Ende September in Sarajewo verhafteten Deutsch-Ägypter Abdel Halim Khafagy wurde im Oktober 2001 eine Sicherheitsrunde im Kanzleramt in einem vom Bundeskriminalamt (BKA) erstellten "Sprechzettel" unterrichtet: Dies erklärte am Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss Manfred Klink. Der ehemalige Leiter der nach den New Yorker Attentaten vom 11. September 2001 gebildeten BKA-Sonderermittlungsgruppe bestätigte damit Angaben des Zeugen Thomas Port. Dieser BKA-Beamte hatte es zusammen mit seinem Kollegen Klaus Zorn wegen der mit "deutschen Rechtsnormen nicht vereinbaren Umstände" zur Inhaftierung des damals 69jährigen Anfang Oktober 2001 abgelehnt, den seit vielen Jahren in München lebenden und offenbar irrtümlich unter Terrorverdacht geratenen Verleger im US-Camp "Eagle Base" in Tuzla zu befragen. Laut Port wurden die BKA-Zentrale, das Innenministerium, das Kanzleramt und der deutsche Botschafter in Sarajewo in schriftlichen und mündlichen Berichten über die "irritierende Situation" in Tuzla informiert. Zorn sollte am Spätnachmittag als Zeuge aussagen.
Besonders auffallend fand Port die Blutspuren an manchen Papieren, die den BKA-Mitarbeitern zusammen mit anderen Unterlagen und Habseligkeiten Khafagys von US-Seite zur Auswertung übergeben worden waren. Dabei habe es sich "nicht um kleine Blutspritzer" gehandelt, die Blutflecken hätten vielmehr einzelne Seiten in größeren Teilen bedeckt. Nach Angaben von US-Soldaten, so der Zeuge, stammten die Blutreste von Verletzungen Khafagys, zu denen es wegen der heftigen Gegenwehr des Mannes bei seiner nächtlichen Festnahme in einem Hotel von Sarajewo gekommen sei. Dazu merkte Hellmut Königshaus (FDP) an, ein alter Mann werde wohl kaum starken Widerstand geleistet haben. Port schilderte dem Ausschuss, die US-Bewacher wollten ihrem Gefangenen das Gefühl von Raum und Zeit nehmen, weshalb in den für eine Vernehmung vorgesehenen Container kein Außenlicht drang und dass Khafagy keinen Anwalt als Rechtsbeistand hatte. Auf eine Frage von Hans-Christian Ströbele (Grüne) erklärte der Zeuge, im persönlichen Gespräch hätten er und Zorn die Frage erörtert, ob das, was mit Khafagy geschehen sei, nicht vor ein UN-Tribunal wie in Den Haag gehöre. Hierzu erklärte Ex-BKA-Sonderermittler Manfred Klink, man könne den Fall Khafagy nicht mit den Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien vergleichen.
Mehrere Abgeordnete zollten Port und Zorn Anerkennung, weil sie eine Befragung des Münchner Ägypters wegen der Indizien auf Misshandlungen abgelehnt haben. Über diese Reaktion der Deutschen BKA-Beamten hätten sich die US-Militärs "irritiert" gezeigt, so Port. Nach seinen Angaben gehörte während ihres Besuchs in Bosnien zu den Kontaktpersonen auf US-Seite auch ein deutschsprechender Mann in Zivilkleidung, der vermutlich ein Geheimdienstler gewesen sei.
Auf Fragen von SPD-Obmann Michael Hartmann und CDU-Obmann Hermann Gröhe sagte Klink, das Schicksal Khafagys habe man im Herbst 2001 als Einzelfall eingestuft. Andere Übergriffe dieser Art durch US-Militärs oder -Geheimdienste seien nicht bekannt gewesen. Es habe seinerzeit keine Hinweise auf "Renditions" gegeben, also auf rechtswidrige Verschleppungen von Terrorverdächtigen und auf deren Inhaftierung in Geheimgefängnissen.
Klink und Port berichteten, nach der Festnahme Khafagys habe sich rasch herausgestellt, dass dessen Begleiter in Sarajewo - anders als vermutet - keine Kontaktperson hochrangiger El-Kaida-Aktivisten gewesen sei. Trotzdem sollten die Unterlagen des Ägypters untersucht und er selbst zunächst befragt werden, was Klink mit einem damals gegebenen "Anfangsverdacht" begründete: Khafagy soll Beziehungen zu islamistischen Kreisen unterhalten haben, auch seien in Bosnien in den beschlagnahmten Papieren die Namen zweier Personen gefunden worden, gegen die hierzulande nach dem 11. September Untersuchungen liefen. Klink und Port erklärten jedoch, weitere Recherchen und auch eine Vernehmung Khafagys nach seiner Rückkehr in Deutschland hätten diesen Verdacht nicht bestätigt.
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